Danke vielmals Mark, für die Zusendung dieser Geschichte!
14. Kapitel – Marias Gesicht von den zwei Völkern. Der Eintritt der Wehen. Zuflucht in einer nahen Höhle.
23. August 1843
JJ = Jugend Jesu, Jakob Lorber (Schreiber) in die Feder diktiert
[JJ.01_014,01] Also kam unsere frömmste Gesellschaft nahe bis auf sechs Stunden vor Bethlehem hin und machte da eine Rast im Freien.
[JJ.01_014,02] Joseph aber sah nach der Maria und fand, daß sie voll Schmerzes sein mußte; daher gedachte er ganz verlegen bei sich selbst:
[JJ.01_014,03] „Was kann das sein? Marias Antlitz ist voll Schmerzes, und ihre Augen sind voll Tränen! – Vielleicht bedränget sie ihre Zeit?“
[JJ.01_014,04] Darum sah Joseph Mariam noch einmal genauer an; und siehe, da fand er sie zu seinem großen Erstaunen lachend!
[JJ.01_014,05] Darum fragte er sie auch sobald: „Maria, sage mir, was wohl gehet in dir vor? – Denn ich sehe dein Angesicht bald voll Schmerzes, bald aber wieder lachend und vor großer Freude glänzend!“
[JJ.01_014,06] Maria aber sagte darauf zu Joseph: „Siehe, ich sah nun zwei Völker vor mir; das eine weinte, und da weinte ich notgedrungen mit.
[JJ.01_014,07] Das andere aber wandelte lachend vor mir und war voll Freude und Heiterkeit; und ich mußte mitlachen und in seine Freude übergehen! – Das ist alles, was meinem Antlitze Schmerz und Freude entwand.“
[JJ.01_014,08] Als Joseph solches vernommen hatte, da ward er wieder beruhigt, denn er wußte, daß Maria öfter Gesichte hatte; daher ließ er denn auch wieder zur Weiterreise aufbrechen und zog hinauf gen Bethlehem. –
[JJ.01_014,09] Als sie aber in die Nähe von Bethlehem kamen, da sprach Maria auf einmal zum Joseph:
[JJ.01_014,10] „Höre mich an, Joseph! – Das in mir ist, fängt an mich ganz gewaltig zu bedrängen; lasse daher stillehalten!“
[JJ.01_014,11] Joseph erschrak völlig vor diesem plötzlichen Aufrufe Mariens; denn er sah nun, daß das gekommen ist, was er eben am meisten befürchtet hatte.
[JJ.01_014,12] Er ließ daher auch plötzlich stillehalten. Maria aber sprach wieder sobald zu Joseph:
[JJ.01_014,13] „Hebe mich herab von der Eselin; denn das in mir ist, bedränget mich mächtig und will von mir! Und ich vermag dem Drange nicht mehr zu widerstehen!“
[JJ.01_014,14] Joseph aber sprach: „Aber um des Herrn willen! Du siehst ja, daß hier nirgends eine Herberge ist, – wo solle ich dich denn hintun?“
[JJ.01_014,15] Maria aber sprach: „Siehe, dort in den Berg hinein ist eine Höhle; es werden kaum hundert Schritte dahin sein! Dorthin bringet mich; weiter zu kommen, ist mir unmöglich!“
[JJ.01_014,16] Und Joseph lenkte sobald sein Fuhr- und Reisewerk dahin und fand zum größten Glücke in dieser Höhle, da sie den Hirten zu einem Notstalle diente, etwas Heu und Stroh, aus welchem er sogleich für Maria ein notdürftiges Lager bereiten ließ.
15. Kapitel – Maria in der Grotte. Joseph auf der Suche nach einer Hebamme in Bethlehem. Josephs wunderbare Erfahrungen. Das Zeugnis der Natur. Die Begegnung Josephs mit der Wehmutter.
24. August 1843
[JJ.01_015,01] Als aber das Lager bereitet war, brachte Joseph Mariam sobald in die Höhle, und sie legte sich aufs Lager und fand Erleichterung in dieser Lage.
[JJ.01_015,02] Als Maria aber also erleichtert sich auf dem Lager befand, da sagte Joseph zu seinen Söhnen:
[JJ.01_015,03] „Ihr beiden Ältesten bewachet Mariam und leistet ihr im Falle früher Not die gerechte Hilfe, besonders du Joel, der du einige Kenntnisse in dieser Sache dir durch den Umgang mit meinem Freunde in Nazareth erworben hast!“
[JJ.01_015,04] Den andern dreien aber befahl er, den Esel und den Ochsen zu versorgen und den Karren auch irgend in der Höhle, welche so ziemlich geräumig war, unterzubringen.
[JJ.01_015,05] Nachdem aber Joseph solches alles also wohl geordnet hatte, sagte er zu Maria: „Ich aber will nun gehen hinauf auf den Berg und will in der Stadt meines Vaters mir eine Wehmutter in aller Eile suchen und will sie bringen hierher, dir zur nötigen Hilfe!“
[JJ.01_015,06] Nach diesen Worten trat der Joseph sobald aus der Höhle, da es schon ziemlich spät abends war und man die Sterne am Himmel recht wohl ausnehmen konnte.
[JJ.01_015,07] Was aber Joseph bei diesem Austritte aus der Höhle alles für wunderliche Erfahrungen gemacht hat, wollen wir mit seinen eigenen Worten wiedergeben, die er seinen Söhnen gab, als er mit der gefundenen Wehmutter in die Höhle zurückkehrte und Maria schon geboren hatte.
[JJ.01_015,08] Die Worte Josephs aber lauten also: „Kinder! wir stehen am Rande großer Dinge! – Ich verstehe nun dunkel, was mir die Stimme am Vorabende vor unserer Abreise hierher gesagt hat; wahrlich, wäre der Herr unter uns – wennschon unsichtbar – nicht gegenwärtig, so könnten unmöglich solche Wunderdinge geschehen, wie ich sie jetzt geschaut habe!
[JJ.01_015,09] Höret mich an! – Als ich hinaustrat und fortging, da war es mir, als ginge ich, und als ginge ich nicht; – und ich sah den aufgehenden Vollmond und die Sterne im Aufgange wie im Niedergange, und siehe, alles stand stille, und der Mond verließ nicht den Rand der Erde, und die Sterne am abendlichen Rande wollten nimmer sinken!
[JJ.01_015,10] Dann sah ich Scharen und Scharen der Vöglein sitzen auf den Ästen der Bäume; alle waren mit ihren Gesichtern hierher gewendet und zitterten wie zu Zeiten großer bevorstehender Erdbeben und waren nicht zu verscheuchen von ihren Sitzen, weder durch Geschrei noch durch Steinwürfe.
[JJ.01_015,11] Und ich blickte wieder auf dem Erdboden umher und ersah unweit von mir eine Anzahl Arbeiter, die da um eine mit Speise gefüllte Schüssel saßen. Einige hielten ihre Hände unbeweglich in der Schüssel und konnten keine Speise aus der Schüssel heben.
[JJ.01_015,12] Die aber schon eher einen Bissen der Schüssel enthoben hatten, die hielten ihn am Munde und mochten nicht den Mund öffnen, auf daß sie den Bissen verzehreten; aller Angesichter aber waren nach aufwärts gerichtet, als sähen sie große Dinge am Himmel!
[JJ.01_015,13] Dann sah ich Schafe, die von den Hirten getrieben wurden; aber die Schafe standen unbeweglich da, und des Hirten Hand, der sie erhob, um zu schlagen die ruhenden Schafe, blieb wie erstarrt in der Luft, und er konnte sie nicht bewegen.
[JJ.01_015,14] Wieder sah ich eine ganze Herde Böcke, die hielten ihre Schnauzen über dem Wasser und mochten dennoch nicht trinken, denn sie waren alle wie gänzlich gelähmt.
[JJ.01_015,15] Also sah ich auch ein Bächlein, das hatte einen starken Fall vom Berge herab, und siehe, des Wasser stand stille und floß nicht hinab ins Tal! – Und so war alles auf dem Erdboden anzusehen, als hätte es kein Leben und keine Bewegung.
[JJ.01_015,16] Als ich aber also dastand oder ging und nicht wußte, ob ich stehe oder gehe, siehe, da ersah ich endlich einmal wieder ein Leben!
[JJ.01_015,17] Ein Weib nämlich kam dem Berge entlang herabgestiegen gerade auf mich an und fragte mich, als sie vollends bei mir war: ,Mann, wo willst du hingehen so spät?‘
[JJ.01_015,18] Und ich sprach zu ihr: ,Eine Wehmutter suche ich; denn in der Höhle dort ist eine, die gebären will!‘
[JJ.01_015,19] Das Weib aber antwortete und sprach: ,Ist sie aus Israel?‘ – Und ich antwortete ihr: ,Ja, Herrin, ich und sie sind aus Israel; David ist unser Vater!‘
[JJ.01_015,20] Das Weib aber sprach weiter und fragte: ,Wer ist die, welche in der Höhle dort gebären will? Ist sie dein Weib, oder eine Anverwandte, oder eine Magd?‘
[JJ.01_015,21] Und ich antwortete ihr: ,Seit kurzem – allein vor Gott und dem Hohenpriester nur – mein Weib. Sie aber war noch nicht mein Weib, da sie schwanger ward, sondern ward mir nur zur Obhut in mein Haus vom Tempel durch das Zeugnis Gottes anvertraut, da sie früher auferzogen ward im Allerheiligsten!
[JJ.01_015,22] Wundere dich aber nicht über ihre Schwangerschaft; denn das in ihr ist, ist wunderbar gezeuget vom heiligen Geiste Gottes!‘ – Das Weib aber erstaunte darob und sagte zu mir: ,Mann, sage mir die Wahrheit!‘ – Ich aber sagte zu ihr: ,Komm, siehe und überzeuge dich mit deinen Augen!‘“ – – –
16. Kapitel – Die Erscheinungen bei der Höhle. Das Traumgesicht der Wehmutter und ihre prophetischen Worte. Die Wehmutter bei Maria und dem Kinde. Salomes, ihrer Schwester, Zweifel an der Jungfräulichkeit Mariens.
25. August 1843
[JJ.01_016,01] Und das Weib willigte ein und folgte dem Joseph hin zur Höhle; da sie aber zur Höhle kamen, da verhüllte sich dieselbe plötzlich in eine dichte weiße Wolke, daß sie nicht den Eingang finden mochten.
[JJ.01_016,02] Ob dieser Erscheinung fing sich die Wehmutter hoch zu verwundern an und sprach zu Joseph:
[JJ.01_016,03] „Großes ist widerfahren am heutigen Tage meiner Seele! – Ich habe heute morgen ein großwunderbarstes Gesicht gehabt, in dem alles sich also gestaltete, wie ich es jetzt in der Wirklichkeit gesehen habe, noch sehe und noch mehr sehen werde!
[JJ.01_016,04] Du bist derselbe Mann, der mir im Gesichte entgegenkam; also sah ich auch zuvor alle Welt ruhen mitten in ihrem Geschäfte und sah die Höhle, wie eine Wolke über sie kam, und habe mit dir geredet, wie ich nun geredet habe.
[JJ.01_016,05] Und ich sah noch mehreres Wunderbarstes in der Höhle, als mir meine Schwester Salome nachkam, der ich allein mein Gesicht am Morgen anvertraute!
[JJ.01_016,06] Darum sage ich denn nun auch vor dir und vor Gott, meinem Herrn: Israel ist ein großes Heil widerfahren! Ein Retter kam, von oben gesandt, zur Zeit unserer großen Not!“
[JJ.01_016,07] Nach diesen Worten der Wehmutter wich sobald die Wolke von der Höhle zurück, und ein gewaltiges Licht drang aus der Höhle der Wehmutter und dem Joseph entgegen – so, daß es die Augen nicht zu ertragen imstande waren, und die Wehmutter sprach: „Wahr ist also alles, was ich gesehen habe im Gesichte! – O Mann! du Glücklicher, hier ist mehr denn Abraham, Isaak, Jakob, Moses und Elias!“ –
[JJ.01_016,08] Nach diesen Worten aber fing das starke Licht an, nach und nach erträglicher zu werden, und das Kindlein ward sichtbar, wie es gerade zum ersten Male die Brust der Mutter nahm.
[JJ.01_016,09] Die Wehmutter aber trat mit Joseph nun in die Höhle, besah das Kindlein und dessen Mutter, und als sie alles auf das herrlichste gelöset fand, sagte sie:
[JJ.01_016,10] „Wahrlich, wahrlich, das ist der von allen Propheten besungene Erlöser, der da ohne Bande frei sein wird schon im Mutterleibe, um anzudeuten, daß er all die harten Bande des Gesetzes lösen wird!
[JJ.01_016,11] Wann aber hat jemand gesehen, daß ein kaum gebornes Kind schon nach der Brust der Mutter gegriffen hätte!?
[JJ.01_016,12] Das bezeuget ja augenscheinlichst, daß dieses Kind einst als Mann die Welt richten wird nach der Liebe und nicht nach dem Gesetze!
[JJ.01_016,13] Höre, du glücklichster Mann dieser Jungfrau, es ist alles in der größten Ordnung; darum lasse mich aus der Höhle treten, denn mir fällt es schwer nun auf die Brust, da ich empfinde, daß ich nicht rein genug bin, um die zu heilige Nähe meines und deines Gottes und Herrn zu ertragen!“
[JJ.01_016,14] Joseph erschrak völlig über diese Worte der Wehmutter. – Sie aber eilte aus der Höhle ins Freie.
[JJ.01_016,15] Als sie aber aus der Höhle trat, da traf sie draußen ihre Schwester Salome, welche ihr ob des bewußten Gesichtes nachgefolgt ist, und sprach sogleich zu ihr:
[JJ.01_016,16] „Salome, Salome! komme und sehe mein Morgengesicht in der Wirklichkeit bestätigt! – Die Jungfrau hat in der Fülle der Wahrheit geboren, was die menschliche Weisheit und Natur nimmer zu fassen vermag!“
[JJ.01_016,17] Die Salome aber sprach: „So wahr Gott lebt, kann ich eher nicht glauben, daß eine Jungfrau geboren habe, als bis ich sie werde mit meiner Hand untersucht haben!“
17. Kapitel – Der ungläubigen Salome Bitte an Maria. Salomes Zeugnis der unverletzten Jungfräulichkeit Mariens. Das Gottesgericht. Des Engels Weisung an Salome. Salomes Genesung.
26. August 1843
[JJ.01_017,01] Nachdem aber die Salome solches geredet hatte, trat sie sobald hinein in die Höhle und sprach:
[JJ.01_017,02] „Maria, meine Seele beschäftiget kein geringer Streit; daher bitte ich, daß du dich bereitest, auf daß ich mit meiner wohlerfahrnen Hand dich untersuche und daraus ersehe, wie es mit deiner Jungfrauschaft aussehe!“
[JJ.01_017,03] Maria aber fügte sich willig in das Begehren der ungläubigen Salome, bereitete sich und ließ sich untersuchen.
[JJ.01_017,04] Als aber die Salome Marias Leib anrührte mit ihrer prüfenden Hand, da erhob sie sobald ein gewaltiges Geheul und schrie überlaut:
[JJ.01_017,05] „Wehe, wehe mir meiner Gottlosigkeit wegen und meines großen Unglaubens willen, daß ich habe wollen den ewig lebendigen Gott versuchen! – denn sehet, sehet hierher! – meine Hand verbrennt im Feuer des göttlichen Zornes über mich Elende!!!“
[JJ.01_017,06] Nach diesen Worten aber fiel sie sobald vor dem Kindlein auf ihre Knie nieder und sprach:
[JJ.01_017,07] „O Gott meiner Väter! Du allmächtiger Herr aller Herrlichkeit! Gedenke mein, daß auch ich ein Same bin aus Abraham, Isaak und Jakob!
[JJ.01_017,08] Mache mich doch nicht zum Gespötte vor den Söhnen Israels, sondern schenke mir meine gesunden Glieder wieder!“
[JJ.01_017,09] Und siehe, sobald stand ein Engel des Herrn neben der Salome und sprach zu ihr: „Erhört hat Gott der Herr dein Flehen; tritt zu dem Kindlein hin und trage Es, und es wird dir darob ein großes Heil widerfahren!“
[JJ.01_017,10] Und als solches die Salome vernommen hatte, da ging sie auf den Knien vor Maria hin und bat sie um das Kindlein.
[JJ.01_017,11] Maria aber gab ihr willig das Kindlein und sprach zu ihr: „Es möge dir zum Heile gereichen nach dem Ausspruche des Engels des Herrn; der Herr erbarme Sich deiner!“
[JJ.01_017,12] Und die Salome nahm das Kindlein auf ihre Arme und trug es kniend und sprach, sobald sie das Kindlein auf dem Arme hatte:
[JJ.01_017,13] „O Gott! Du allmächtiger Herr Israels, der Du regierest und herrschest von Ewigkeit! – In aller, aller Fülle der Wahrheit ist hier Israel ein König der Könige geboren, welcher mächtiger sein wird denn da war David, der Mann nach dem Herzen Gottes! Gelobet und gepriesen sei Du von mir ewig!“
[JJ.01_017,14] Nach diesen Worten ward die Salome sobald völlig wieder geheilt, gab dann unter der dankbarsten Zerknirschung ihres Herzens das Kindlein der Maria wieder und ging also gerechtfertigt aus der Höhle wieder.
[JJ.01_017,15] Als sie aber draußen war, da wollte sie sobald laut zu schreien anfangen über das große Wunder aller Wunder und hatte auch ihrer Schwester sogleich zu erzählen angefangen, was ihr begegnet ist.
[JJ.01_017,16] Aber sobald meldete sich eine Stimme von oben und sprach zur Salome: „Salome, Salome! verkündige ja niemandem, was Außerordentliches dir begegnet ist; denn die Zeit muß erst kommen, wo der Herr von Sich Selbst zeugen wird durch Worte und Taten!“
18. Kapitel – Die Nachtruhe der hl. Familie in der Höhle. Die Lobgesänge der Engel am Morgen. Die Anbetung der Hirten.
28. August 1843
[JJ.01_018,01] Als aber alle also in der Höhle versammelt waren, da fragten die Söhne Josephs ihren Vater (den Joseph nämlich):
[JJ.01_018,02] „Vater, was sollen wir nun tun? Es ist alles wohl versorgt! Die Reise hat ermüdet unsere Glieder, dürfen wir uns denn nicht zur Ruhe legen?“
[JJ.01_018,03] Und Joseph sprach: „Kinder! ihr sehet ja, welch eine endlose Gnade von oben uns allen widerfahren ist; daher sollet ihr wachen und Gott loben mit mir!
[JJ.01_018,04] Ihr aber habt ja gesehen, was da der Salome begegnet ist in der Höhle, da sie ungläubig war; daher sollen auch wir nicht schläfrig sein, wann uns der Herr heimsucht!
[JJ.01_018,05] Gehet aber hin zur Maria, und rühret an das Kindlein; wer weiß es, ob eure Augenlider nicht sobald also gestärkt werden, als hättet ihr mehrere Stunden lang fest geschlafen!“
[JJ.01_018,06] Und die Söhne Josephs gingen hin und rührten das Kindlein an; das Kindlein aber lächelte sie an und streckte Seine Händchen nach ihnen, als hätte Es sie als Brüder erkannt.
[JJ.01_018,07] Darob sie sich alle hoch verwunderten und sprachen: „Fürwahr, das ist kein natürliches Kind! Denn wo hat je jemand so etwas erlebt, daß jemand wäre von einem kaum gebornen Kinde gottseligst also begrüßet worden!?
[JJ.01_018,08] Zudem sind wir nun auch im Ernste noch obendrauf plötzlich also gestärkt worden in allen unseren Gliedern, als hätten wir nie eine Reise gemacht und befänden uns daheim an einem Morgen mit völligst ausgerastetem Leibe!“
[JJ.01_018,09] Und der Joseph sagte darauf: „Sehet, also war mein Rat gut. Aber nun merke ich, daß es anfängt, mächtig kühl zu werden; daher bringet den Esel und Ochsen hierher! Die Tiere werden sich um uns lagern und werden durch ihren Hauch und ihre Ausdünstung einige Wärme bewirken; und wir selbst wollen uns darum auch um die Maria lagern!“
[JJ.01_018,10] Und die Söhne taten solches. Und als sie brachten die beiden Tiere in die Nähe Marias, da legten sich diese sogleich am Hauptteile des Lagers Mariens und hauchten fleißig über Mariam und das Kindlein hin und erwärmten es also recht gut.
[JJ.01_018,11] Und die Wehmutter sprach: „Fürwahr, nichts Geringes kann das sein vor Gott, dem sogar die Tiere also dienen, als hätten sie Vernunft und Verstand!“
[JJ.01_018,12] Die Salome aber sprach: „O Schwester! Die Tiere scheinen hier mehr zu sehen als wir! – Was wir uns noch kaum zu denken getrauen, da beten schon die Tiere an Den, der sie erschaffen hat!
[JJ.01_018,13] Glaube mir, Schwester, so wahr Gott lebt, so wahr auch ist hier vor uns der verheißene Messias; denn wir wissen es ja, daß sich nie bei der Geburt selbst des größten Propheten solche Wunderdinge zugetragen haben!“
[JJ.01_018,14] Maria aber sagte zur Salome: „Gott der Herr hat dir eine große Gnade erwiesen, darum du solches erschauest, davor selbst meine Seele erbebt!
[JJ.01_018,15] Aber schweige davon, wie es dir zuvor der Engel des Herrn geboten hat; denn sonst könntest du uns ein herbes Los bereiten!“
[JJ.01_018,16] Die Salome aber gelobte der Maria zu schweigen ihr Leben lang, und die Wehmutter folgte dem Beispiele ihrer Schwester.
[JJ.01_018,17] Und so ward nun alles ruhig in der Höhle. In der ersten Stunde aber vor dem Sonnenaufgange vernahmen alle gar mächtige Lobgesänge draußen vor der Höhle.
[JJ.01_018,18] Und Joseph sandte sogleich seinen ältesten Sohn, nachzusehen, was es sei, und wer so gewaltig singe die Ehre Gottes im Freien.
[JJ.01_018,19] Und Joel ging hinaus und sah, daß alle Räume des Firmaments erfüllt waren hoch und nieder mit zahllosen Myriaden leuchtender Engel. Und er eilte erstaunt in die Höhle zurück und erzählte es allen, was er gesehen.
29. August 1843
[JJ.01_018,20] Alle aber waren hoch erstaunt über die Erzählung des Joel und gingen hinaus und überzeugten sich von der Wahrheit der Aussage Joels.
[JJ.01_018,21] Als sie solche Herrlichkeit des Herrn aber gesehen hatten, da gingen sie wieder in die Höhle und gaben Maria auch das Zeugnis. Und der Joseph sagte zur Maria:
[JJ.01_018,22] „Höre, du reinste Jungfrau des Herrn, die Frucht deines Leibes ist wahrhaftig eine Zeugung des heiligen Geistes Gottes; denn alle Himmel zeugen nun dafür!
[JJ.01_018,23] Aber wie wird es uns gehen, so nun alle Welt notwendig erfahren muß, was hier vor sich gegangen ist? Denn daß nicht nur wir, sondern auch alle andern Menschen nun sehen, welch ein Zeugnis für uns durch alle Himmel strahlet, – das habe ich an vielen Hirten nun gesehen, wie sie ihre Angesichter gen oben gerichtet hielten!
[JJ.01_018,24] Und sangen mit gleicher Stimme mit den mächtigen Chören der Engel, welche nun – allen sichtbar – erfüllen alle Räume der Himmel hoch und nieder bis zur Erde herab!
[JJ.01_018,25] Und ihr Gesang lautete wie der der Engel: ,Tauet herab, ihr Himmel, den Gerechten! Friede den Menschen auf der Erde, die eines guten Willens sind!‘ – Und: ,Ehre sei Gott in der Höhe in Dem, der da kommt im Namen des Herrn!‘
[JJ.01_018,26] Siehe, o Maria, solches vernimmt und sieht nun die ganze Welt; also wird sie auch kommen hierher und wird uns verfolgen, und wir werden müssen fliehen über Berg und Tal!
[JJ.01_018,27] Daher meine ich, wir sollten uns so bald als nur immer möglich heben von hier und, sobald ich werde beschrieben sein – was heute früh noch geschehen soll – , uns wieder begeben nach Nazareth zurück und von dort gehen zu den Griechen über, von denen ich einige recht wohl kenne. – Bist du nicht meiner Meinung?“
[JJ.01_018,28] Maria aber sprach zu Joseph: „Du siehst aber ja, daß ich heute noch nicht dies Lager verlassen kann; daher lassen wir alles dem Herrn über! Er hat uns bisher geführt und beschützt, so wird Er uns auch sicher noch weiter führen und gar treulich beschützen!
[JJ.01_018,29] Will Er uns vor der Welt offenbaren, sage: wohin wollen wir fliehen, da Seine Himmel uns nicht entdecken möchten?!
[JJ.01_018,30] Daher geschehe Sein Wille! – Was Er will, das wird recht sein. Siehe, hier auf meiner Brust ruht ja, Dem dieses alles gilt!
[JJ.01_018,31] Dieser aber bleibet bei uns, und so wird auch die große Herrlichkeit Gottes von uns nicht weichen, und wir können da fliehen, wohin wir nur immer wollen!“
[JJ.01_018,32] Als Maria aber noch kaum solches ausgeredet hatte, siehe, da standen schon zwei Engel als Anführer einer Menge Hirten vor der Höhle und zeigten den Hirten an, daß hier Derjenige geboren ist, dem ihre Lobgesänge gelten.
[JJ.01_018,33] Und die Hirten traten ein in die Höhle und knieten nieder vor dem Kindlein und beteten Es an; und die Engel kamen auch scharenweise und beteten an das Kindlein.
[JJ.01_018,34] Joseph aber blickte mit seinen Söhnen ganz erstaunt hin nach der Maria und dem Kindlein und sprach: O Gott, was ist denn das? – Hast Du denn Selbst Fleisch angenommen in diesem Kinde?
[JJ.01_018,35] Wie wohl wäre es möglich sonst, daß Es angebetet würde selbst von Deinen heiligen Engeln? Bist Du aber hier, o Herr, was ist denn nun mit dem Tempel – und mit dem Allerheiligsten?!“
[JJ.01_018,36] Und ein Engel trat hin zum Joseph und sprach zu ihm: „Frage nicht, und sorge dich nicht; denn der Herr hat die Erde erwählt zum Schauplatze Seiner Erbarmungen und hat nun heimgesucht Sein Volk, wie Er es vorhergesagt durch den Mund Seiner Kinder, Seiner Knechte und Propheten!
[JJ.01_018,37] Was aber geschieht nun vor deinen Augen, das geschieht nach dem Willen Dessen, der da ist heilig, überheilig!“
[JJ.01_018,38] Hier verließ der Engel den Joseph und ging wieder hin und betete an das Kindlein, welches nun alle die Betenden mit offenen Händchen anlächelte.
[JJ.01_018,39] Als aber nun die Sonne aufging, da verschwanden die Engel; aber die Hirten blieben und erkundigten sich beim Joseph, wie möglich doch solches vor sich gegangen ist.
[JJ.01_018,40] Joseph aber sagte: „Höret, wie wunderbar das Gras wächst aus der Erde, also geschah auch dieses Wunder! Wer aber weiß, wie das Gras wächst? – So wenig weiß ich euch auch von diesem Wunder kundzugeben! Gott hat es also gewollt; das ist alles, was ich euch sagen kann!“
paar Kapitel übersprungen …..
29. Kapitel – Des bangen Joseph Bitte an den Herrn. Die persische Karawane vor der Grotte. Der erstaunte Hauptmann. Der drei Weisen Zeugnis über das Kind: ein König der Könige, ein Herr der Herren von Ewigkeit! Ihre Warnung vor Herodes.
14. September 1843
[JJ.01_029,01] Der Mittag war herangekommen, aber der Hauptmann verzog diesmal, und Joseph zählte mit banger Erwartung die Augenblicke; aber der Hauptmann kam nicht zum Vorscheine.
[JJ.01_029,02] Darum wandte sich Joseph zum Herrn und sprach: „Mein Gott und mein Herr, ich bitte Dich, daß Du mich doch nicht so sehr möchtest ängstigen lassen; denn siehe, ich bin alt und schon ziemlich schwach in allen meinen Gelenken!
[JJ.01_029,03] Daher stärke mich durch eine Verkündung, was ich tun solle, um nicht zuschanden zu werden vor allen Söhnen Israels!“
[JJ.01_029,04] Als der Joseph also gebetet hatte, siehe, da kam der Hauptmann fast außer Atem und sprach zu Joseph:
[JJ.01_029,05] „Mann meiner höchsten Achtung! – Soeben komme ich von einem Marsche zurück, den ich selbst mit einer ganzen Legion nahe auf den drittel Weg gen Jerusalem gemacht habe, um etwas von den Persern zu erspähen,
[JJ.01_029,06] und habe auch allorts Spione aufgestellt, aber bis jetzt konnte ich nichts entdecken! Sei aber nur ruhig; denn wenn sie kommen, müssen sie auf meine ausgestellten Posten stoßen!
[JJ.01_029,07] Da aber solle es ihnen eben nicht zu leicht werden, irgendwo durchzubrechen und hierher zu gelangen, bevor sie nicht von mir sind verhört und beurteilt worden! – Ich gehe nun darum sogleich wieder und werde die Wachen verstärken; am Abende bin ich bei dir!“
[JJ.01_029,08] Hier eilte der Hauptmann wieder fort, und der Joseph lobte Gott und sprach zu seinen Söhnen: „Nun setzet die Speisen auf den Tisch, und du, Salome, frage die Maria, ob sie mit uns am Tische essen will, oder sollen wir ihr die Speisen aufs Lager bringen?“
[JJ.01_029,09] Maria aber kam selbst mit dem Kindlein ganz heiteren Mutes heraus aus ihrem Zelte und sprach: „Weil ich stark genug bin, will ich bei euch am Tische essen; nur das Kripplein schaffet her fürs Kindlein!“
[JJ.01_029,10] Joseph aber war darüber voll Freuden und setzte vor Maria die besten Stücke hin; und sie lobten Gott den Herrn und aßen und tranken.
[JJ.01_029,11] Als sie aber noch kaum abgespeist hatten, siehe, da entstand auf einmal vor der Höhle ein starkes Lärmen. Joseph sandte den Joel, nachzusehen, was es gäbe.
[JJ.01_029,12] Als der Joel aber hinausblickte zur Türe (denn die Höhle war am Ausgange gezimmert), da sah er eine ganze Karawane von Persern mit belasteten Kamelen und sprach mit ängstlicher Stimme:
[JJ.01_029,13] „Vater Joseph! Um des Herrn willen, wir sind verloren! – Denn siehe, die berüchtigten Perser sind hier mit vielen Kamelen und großer Dienerschaft!
[JJ.01_029,14] Sie schlagen ihre Zelte auf und lagern sich in einem weiten Kreise, unsere Höhle ganz umringend, und drei mit Gold, Silber und Edelsteinen gezierte Anführer packen goldene Säcke aus und machen Miene, sich herein in die Höhle zu begeben!“
[JJ.01_029,15] Diese Nachricht machte unseren guten Joseph beinahe sprachunfähig; mit großer Mühe brachte er die Worte heraus: „Herr, sei mir armem Sünder barmherzig! – Ja, jetzt sind wir verloren!“ – Maria aber nahm das Kindlein und eilte damit in ihr Zelt und sprach: „Nur wenn ich tot bin, werdet ihr Es mir entreißen!“
[JJ.01_029,16] Joseph aber ging nun hin zur Türe, geleitet von seinen Söhnen, und sah verstohlen hinaus, was da macheten die Perser.
[JJ.01_029,17] Als er aber die große Karawane und die aufgerichteten Zelte erschaute, da ward es ihm doppelt bange ums Herz, daß er darob inbrünstigst zu flehen anfing, der Herr möchte ihm nur diesmal aus solcher großen Not helfen.
[JJ.01_029,18] Als er aber also flehte, siehe, da kam der Hauptmann in ganz kriegerischer Rüstung, geleitet von tausend Kriegern, und stellte die Krieger zu beiden Seiten der Höhle auf.
[JJ.01_029,19] Er selbst aber ging hin und befragte die drei Magier, aus welcher Veranlassung und wie – von ihm also ganz unbemerkt – sie hierher gelanget seien.
[JJ.01_029,20] Und die drei sprachen einstimmig zum Hauptmann: „Halte uns ja nicht für Feinde; denn du siehst ja, daß wir keine Waffen mit uns führen, weder offene noch verborgene!
[JJ.01_029,21] Wir sind aber Sternkundige aus Persien, und wir haben eine alte Prophezeiung, in dieser steht es geschrieben, daß in dieser Zeit den Juden wird ein König der Könige geboren werden, und seine Geburt wird durch einen Stern angezeigt werden.
[JJ.01_029,22] Und die da den Stern sehen werden, die sollen sich auf die Reise machen und ziehen, dahin sie der mächtige Stern führen wird; denn sie werden dort den Heiland der Welt finden, wo der Stern wird seinen Stand nehmen!
[JJ.01_029,23] Siehe aber, ob diesem Stalle stehet der Stern, sicher jedermann sichtbar am hellen Tage sogar! – Dieser war unser Führer hierher; hier aber blieb er stehen ob diesem Stalle, und wir haben sicher ohne allen Anstand die Stelle erreicht, allwo das Wunder aller Wunder sich lebendig vorfindet, ein neugebornes Kind, ein König der Könige, ein Herr der Herren von Ewigkeit!
[JJ.01_029,24] Diesen müssen wir sehen, anbeten und Ihm die allerhöchste Huldigung darbringen! – Daher wolle uns ja nicht den Weg verrammen; denn sicher hat uns kein böser Stern hierher geführt!“
[JJ.01_029,25] Hier sah der Hauptmann nach dem Sterne und verwunderte sich hoch über ihn; denn fürs erste stand er ganz nieder, und fürs zweite war sein Licht nahe so stark wie das Naturlicht der Sonne.
[JJ.01_029,26] Als der Hauptmann aber sich von alledem überzeugt hatte, da sprach er zu den dreien: „Gut, ich habe nun aus euren Worten und aus dem Sterne die Überzeugung erlangt, daß ihr redlichen Sinnes hierher gekommen seid; aber nur sehe ich nicht ein, was ihr zuvor in Jerusalem bei Herodes zu tun hattet! – Hat euch der Stern auch jenen Weg gezeigt?
[JJ.01_029,27] Warum hat euch denn euer Wunderführer nicht sogleich hierher geführt, indem doch alsonach sicher hier der Ort eurer Bestimmung ist? – Darüber verlange ich noch eine Antwort von euch, sonst kommt ihr nicht in die Höhle!“
[JJ.01_029,28] Die drei aber sagten: „Der große Gott wird das wissen! Sicher muß es in Seinem Plane liegen; denn keiner aus uns hatte je den Sinn gefaßt, sich Jerusalem auch nur von ferne zu nahen!
[JJ.01_029,29] Und du kannst uns völlig glauben, uns gefielen die Menschen in Jerusalem gar nicht, am wenigsten aber der Fürst Herodes! Da wir aber schon dort waren und aller Stadt Aufmerksamkeit auf uns gerichtet war, so mußten wir doch zeigen, was da ist unsere Absicht!
[JJ.01_029,30] Die Priester gaben uns Kunde durch den Fürsten, der uns bat, daß wir ihm wieder die Kunde überbringen sollen von dem gefundenen Könige, auf daß auch er käme und brächte dem neuen Könige seine Huldigung dar.“
[JJ.01_029,31] Der Hauptmann aber sprach: „Das werdet ihr nimmer tun; denn ich kenne die Absicht dieses Fürsten! Eher bleibet ihr hier als Geiseln! – Ich aber gehe nun hinein und will mich mit dem Vater des Kindes über euch besprechen.“
30. Kapitel – Der Stern der drei Weisen und die alte Prophezeiung der persischen Sternkundigen. Die Anbetung des Herrn, des Schöpfers der Unendlichkeit und Ewigkeit, im Kinde durch die drei Weisen. Ihre Namen: Chaspara, Melcheor und Balthehasara. Die sie begleitenden Geister: Adam, Kain und Abraham. Sie huldigen dem Herrn und bringen Ihm Geschenke dar.
16. September 1843
[JJ.01_030,01] Als der gute Joseph alles das vernommen hatte, da ward es ihm leichter ums bedrängte Herz; und da er vernommen hatte, daß der Hauptmann zu ihm kommen werde, so machte er sich auf seinen Empfang bereit.
[JJ.01_030,02] Und der Hauptmann trat ein, grüßte den Joseph und sprach dann zu ihm: „Mann meiner höchsten Achtung!
[JJ.01_030,03] Siehe, durch wunderbare Fügung sind diese draußen nun harrenden Morgenländer hierher gekommen. – Ich habe sie scharf geprüft und habe an ihnen nichts Arges entdeckt!
[JJ.01_030,04] Sie wünschen dem Kinde nach der Beheißung ihres Gottes ihre Huldigung darzubringen, und so bin ich der Meinung, du kannst sie ohne die allergeringste Furcht hereinlassen, wann es dir gelegen ist.“
[JJ.01_030,05] Und der Joseph sprach: „Wenn es also ist, da will ich meinen Gott loben und preisen; denn Er hat wieder einen glühenden Stein von meinem Herzen genommen!
[JJ.01_030,06] Aber es hat sich zuvor die Maria etwas entsetzt, als sich die Perser um diese Höhle zu lagern anfingen; darum muß ich doch zuvor nachsehen, wie sie bestellt ist, auf daß da ein unvorbereitetes Eintreten dieser Gäste sie nicht noch mehr erschreckt, als sie sich schon ehedem vor ihnen erschreckt hat.“
[JJ.01_030,07] Der Hauptmann aber billigte diese Vorsicht Josephs; und Joseph ging hin zur Maria und benachrichtigte sie von allem, was er vom Hauptmann vernommen hatte.
[JJ.01_030,08] Und Maria ganz heiteren Mutes sprach: „Friede allen Menschen auf Erden, die eines treuen und guten Herzens sind und haben einen Willen, der sich von Gott lenken läßt!
[JJ.01_030,09] Diese sollen nur kommen, wann es ihnen des Herrn Geist anzeigen wird, und sollen den Segen ihrer Treue ernten! – Denn ich habe nicht die allergeringste Furcht vor ihnen!
[JJ.01_030,10] Aber wenn sie eintreten werden, mußt du doch mir recht nahe zur Seite stehen; denn es würde sich doch nicht schicken, daß ich sie ganz allein empfinge in diesem Zelte!“
[JJ.01_030,11] Joseph aber sagte: „Maria, so du Kraft hast, da stehe auf mit dem Kinde, nehme das Kripplein und lege Es vor dir in dasselbe, und dann können die Gäste eintreten und dem Kinde ihre Ehre geben!“
[JJ.01_030,12] Und die Maria vollzog sogleich diesen Willen Josephs, und Joseph sprach darauf zum Hauptmann:
[JJ.01_030,13] „Siehe, wir sind bereit; so da die drei eintreten wollen, da können wir es ihnen schon andeuten, daß wir nach unserer Armut ganz auf ihren Empfang bereitet sind!“
[JJ.01_030,14] Und der Hauptmann ging hinaus und kündigte solches den dreien an. – Die drei aber fielen sobald zur Erde nieder, lobten Gott für diese Gestattung, nahmen dann die goldenen Säcke und begaben sich allerehrfurchtsvollst in die Höhle.
18. September 1843
[JJ.01_030,15] Der Hauptmann öffnete die Tür, und die drei traten mit der allerhöchsten Ehrfurcht in die Höhle; denn es ging im Augenblicke ihres Eintretens ein mächtiges Licht vom Kinde aus.
[JJ.01_030,16] Als sie, die drei Weisen nämlich, sich auf ein paar Tritte dem Kripplein, darinnen das Kindlein lag, näherten, da fielen sie sobald auf ihre Angesichter nieder und beteten dasselbe an.
[JJ.01_030,17] Bei einer Stunde lang lagen sie, von der höchsten Ehrfurcht ergriffen und gebeugt, vor dem Kinde; dann erst erhoben sie sich langsam und richteten kniend ihre mit Tränen befeuchteten Angesichter auf und besahen den Herrn, den Schöpfer der Unendlichkeit und Ewigkeit.
[JJ.01_030,18] Die Namen der drei aber waren: Chaspara, Melcheor und Balthehasara.
[JJ.01_030,19] Und der erste, in Gesellschaft des Geistes Adams, sprach: „Gebet Gott die Ehre, das Lob, den Preis! Hosianna, hosianna, hosianna Gott, dem Dreieinigen, von Ewigkeit zu Ewigkeit!“
[JJ.01_030,20] Hier nahm er den goldgewirkten Beutel, in dem dreiunddreißig Pfunde feinsten Weihrauchs waren, und übergab ihn mit der größten Ehrerbietung der Maria mit den Worten:
[JJ.01_030,21] „Nimm ohne Scheu, o Mutter, dies geringe Zeugnis dessen, davon mein ganzes Wesen ewig erfüllt sein wird! – Nimm hin den schlechten äußeren Tribut, den jedes denkende Geschöpf aus dem Grunde seines Herzens seinem allmächtigen Schöpfer schuldet für ewig!“
[JJ.01_030,22] Maria nahm den schweren Beutel und übergab ihn dem Joseph, und der Spender erhob sich, stellte sich hin zur Türe und kniete da abermals nieder und betete den Herrn in dem Kinde an.
[JJ.01_030,23] Und sobald erhob der zweite, der da ein Mohr war und des Kain Geist in seiner Gesellschaft hatte, einen etwas kleineren Beutel, aber von gleichem Gewichte, gefüllt mit reinstem Golde, und überreichte ihn der Maria mit den Worten:
[JJ.01_030,24] „Was dem Könige der Geister und der Menschen auf Erden gebührt, bringe ich dar, ein kleinstes Opfer Dir, Du Herr der Herrlichkeit ewig! – Nimm es hin, o Mutter, die du geboren hast, das aller Engel Zunge ewig nie wird auszusprechen imstande sein!“
[JJ.01_030,25] Hier übernahm Maria den zweiten Beutel und übergab ihn dem Joseph. – Und der opfernde Weise erhob sich und ging hin zum ersten und tat, was dieser tat.
[JJ.01_030,26] Sodann erhob sich der dritte, nahm seinen Beutel, gefüllt mit allerfeinster Goldmyrrhe, einer damals allerkostbarsten Spezerei, und übergab ihn der Maria mit den Worten:
[JJ.01_030,27] „Der Geist Abrahams ist in meiner Gesellschaft und sieht nun den Tag des Herrn, auf den er sich so mächtig gefreut hat!
[JJ.01_030,28] Ich aber, Balthehasara, opfere hier in kleiner Gabe, was da gebühret dem Kinde der Kinder! – Nimm es hin, o Mutter aller Gnade! – Ein besseres Opfer aber berge ich in meiner Brust; es ist meine Liebe, – diese solle diesem Kinde ewig ein wahrstes Opfer bleiben!“
[JJ.01_030,29] Hier nahm Maria den ebenfalls dreiunddreißig Pfunde schweren Beutel und übergab ihn dem Joseph. – Der Weise aber erhob sich dann auch und ging hin zu den zwei ersten, betete an das Kindlein und ging nach vollendetem Gebete mit den ersten zweien hinaus, da ihre Zelte aufgerichtet waren.
…. * ….. * …..*
34. Kapitel – Der Aufbruch zur Flucht. Josephs Bitte an Salome. Der Abschied vom Hauptmann. Die Abreise. Der Schutzbrief des Cornelius an Cyrenius. Josephs Reiseweg. Das Erlebnis mit den Räubern. Josephs Ankunft in Tyrus bei Cyrenius.
26. September 1843
[JJ.01_034,01] Nach dieser Unterredung Josephs mit dem Hauptmanne sprach der Joseph zu seinen Söhnen: „Machet euch auf, und rüstet die Lasttiere!
[JJ.01_034,02] Die sechs neuen Esel sattelt für mich und euch und den alten und approbierten für die Maria! Nehmet, soviel ihr könnet, von den Eßwaren mit; den Ochsen mit dem Karren aber lassen wir hier der Wehmutter zum Angedenken und zum Lohne für ihre Aufmerksamkeit für uns!“
[JJ.01_034,03] Also ward der Ochse mit dem Karren von der Wehmutter in Besitz genommen und wurde zu keiner Arbeit mehr verwendet.
[JJ.01_034,04] Die Salome aber fragte den Joseph, ob sie nicht mit ihm ziehen dürfte.
[JJ.01_034,05] Und der Joseph sprach: „Das kommt auf dich an; ich aber bin arm, das weißt du, und kann dir keinen Lohn geben, so du mir eine Magd abgeben möchtest!
[JJ.01_034,06] Hast du aber Mittel und kannst sorgen mit mir für den Mund und für des Leibes Haut, da kannst du mir ja folgen!“
[JJ.01_034,07] Die Salome aber sprach: „Höre, du Sohn des großen Königs David! Nicht nur für mich, sondern für deine ganze Familie solle mein Vermögen auf hundert Jahre genügen!
[JJ.01_034,08] Denn ich bin reicher an Weltgütern, als du dir es gedenken möchtest! Warte aber nur noch eine Stunde, und ich werde mit Schätzen beladen reisefertig dastehen!“
[JJ.01_034,09] Joseph aber sprach: „Salome, siehe, du bist eine junge Witwe und bist Mutter; du mußt also auch deine zwei Söhne mitnehmen!
[JJ.01_034,10] Siehe, das wird dir viel Arbeit machen, und ich habe keine Minute Zeit mehr zu verlieren; denn in drei Stunden wird schon Herodes hier seinen Einzug halten, und in einer Stunde werden schon seine Vorboten und Läufer eintreffen!
[JJ.01_034,11] Daraus aber kannst du ersehen, daß es für mich unmöglich ist, auf deine Zurechtrichtung zu warten!
[JJ.01_034,12] Daher meine ich, so du bleibest, tust du besser, indem ich nicht durch dich aufgehalten werde; komme ich aber einst nach dem Willen des Herrn wieder zurück, so werde ich wieder Nazareth beziehen.
[JJ.01_034,13] So du mir aber schon einen Dienst erweisen willst, so ziehe bei Gelegenheit nach Nazareth und verpachte auf weitere drei bis sieben oder zehn Jahre meinen Grund, auf daß er nicht in fremde Hände komme!“
[JJ.01_034,14] Und die Salome stand von ihrer Forderung ab und begnügte sich mit diesem Auftrage.
[JJ.01_034,15] Nachdem umarmte Joseph den Hauptmann und segnete ihn – und berief dann die Maria, auf daß sie sich setzete auf ihr Lasttier mit dem Kindlein.
[JJ.01_034,16] Als sonach alles zur Abreise bereitet war, sprach der Hauptmann zum Joseph: „Mann meiner höchsten Achtung! – werde ich dich je wieder zu sehen bekommen! – und dieses Kind mit der Mutter?!“
[JJ.01_034,17] Und der Joseph sprach: „Es werden kaum drei Jahre verfließen, werde ich dich wieder begrüßen und das Kind und Seine Mutter! Des sei versichert; – nun aber lasse uns aufbrechen, Amen.“ –
[JJ.01_034,18] Hier bestieg Joseph sein Lasttier, und seine Söhne folgten seinem Beispiele; und Joseph ergriff die Zügel des Lasttieres der Maria und führte es unter Lobpreisung des Herrn aus der Höhle.
[JJ.01_034,19] Als sich nun alles schon im Freien befand, da ersah Joseph, wie sich eine Menge Volkes aus der Stadt zu drängen anfing, um den Abzug des Neugebornen zu sehen, indem es durch die heimkehrende Wehmutter und durch den Wechsler erfuhr, daß solches geschehen werde.
[JJ.01_034,20] Dem Joseph aber kam die Gafflust sehr ungelegen; er bat daher den Herrn, Er möchte ihn doch so bald als möglich dieser schnöden Gafflust müßiger Menschen entziehen.
[JJ.01_034,21] Und siehe, sobald fiel ein dichter Nebel über die ganze Stadt, und es war niemandem möglich, auch nur fünf Schritte weit zu sehen.
[JJ.01_034,22] Das Volk aber ward darob verdrießlich und zog sich wieder in die Stadt zurück, und Joseph, geleitet vom Hauptmanne und der Salome, konnte ungesehen das nächste Gebirge erreichen.
[JJ.01_034,23] Als er so die Grenze zwischen Judäa und Syrien erreichte, da gab der Hauptmann dem Joseph einen Schutzbrief an den Landpfleger Cyrenius, der über Syrien gestellt war.
[JJ.01_034,24] Und Joseph nahm ihn mit Dank an, und der Hauptmann sprach: „Cyrenius ist ein Bruder zu mir; mehr brauche ich dir nicht zu sagen, und so denn reise glücklich und komme wieder also!“ Hier kehrte der Hauptmann um mit der Salome, und Joseph zog weiter im Namen des Herrn.
[JJ.01_034,25] Um die Mittagsstunde hatte Joseph die Vollhöhe des Gebirges erreicht, in einer Entfernung von zwölf Stunden von Bethlehem, welche schon ganz in Syrien lag, auch zu der Zeit von den Römern Coelesyria genannt ward.
[JJ.01_034,26] Denn Joseph mußte diesen etwas größeren Umweg nehmen, indem von Palästina kein sicherer Weg nach Ägypten führte.
[JJ.01_034,27] Seine Reiseroute aber war folgende: Am ersten Tage kam er in die Nähe der kleinen Stadt Bostra. Allda übernachtete er, den Herrn preisend. Da geschah es auch, daß Räuber zu ihm kamen, um ihn zu berauben.
[JJ.01_034,28] Als sie aber das Kindlein ersahen, fielen sie auf ihr Angesicht, beteten Dasselbe an, und flohen dann überaus erschreckt ins Gebirge.
[JJ.01_034,29] Von da zog Joseph des andern Tages wieder über ein starkes Gebirge und kam am Abende in die Gegend von Panea, einem Grenzstädtchen zwischen Palästina und Syria nördlich.
[JJ.01_034,30] Von Panea aus erreichte er am dritten Tage die Provinz Phoenicia und kam in die Gegend von Tyrus, wo er am nächsten Tage sich mit seinem Schutzbriefe zum Cyrenius begab, welcher in der Zeit sich Geschäfte halber in Tyrus aufhielt.
[JJ.01_034,31] Cyrenius nahm den Joseph freundlichst auf und fragte ihn, was er ihm tun solle.
[JJ.01_034,32] Joseph aber sprach: „Daß ich sicher nach Ägypten käme!“ – Und Cyrenius sagte: „Guter Mann, du hast einen starken Umweg gemacht; denn Palästina liegt Ägypten ja um vieles näher denn Phoenicia! Nun mußt du doch wieder Palästina durchwandern – und mußt von hier nach Samaria, von dort nach Joppe, von dort nach Askalon, von da nach Gaza, von da nach Geras und von da erst nach Elusa in Arabien!“
[JJ.01_034,33] Da ward Joseph traurig, darum er sich also verirrt hatte. Aber der Cyrenius faßte Mitleid mit dem Joseph und sprach: „Guter Mann, es schmerzt mich deine Not. Du bist zwar ein Jude und ein Feind der Römer; aber da mein Bruder, mein Alles, dich so lieb hat, da will auch ich dir eine Freundschaft tun.
[JJ.01_034,34] Siehe, morgen geht ein kleines, aber sicheres Schiff von hier nach Ostracine ab! Mit diesem sollst du in drei Tagen dort anlangen; und bist du in Ostracine, so bist du auch schon in Ägypten! – Ich werde dir aber auch einen Schutzbrief mitgeben, demzufolge du in Ostracine wirst ungehindert verweilen und dir auch etwas ankaufen können. Für heute aber bist du mein Gast; lasse daher dein Gepäck hereinbringen!“
35. Kapitel – Die heilige Familie bei Cyrenius. Josephs Unterredung mit Cyrenius. Cyrenius, der Kinderfreund, und das Jesuskind. Inneres und äußeres Erfahrungszeugnis von der Göttlichkeit des Jesuskindes.
28. September 1843
[JJ.01_035,01] Und der Joseph ging hinaus und führte seine Familie vor das Haus, da Cyrenius wohnte, und dieser befahl sogleich seiner Dienerschaft, Josephs Lasttiere zu versorgen,
[JJ.01_035,02] und führte den Joseph mit Maria und den fünf Söhnen in sein vorzüglichstes Gemach, in dem alles von Edelsteinen, Gold und Silber strotzte.
[JJ.01_035,03] Es standen aber da auf einem weißen, feinst polierten marmornen Tische eine Menge etwa einen Schuh hohe Statuen, aus korinthischem Erze gar wohl geformt.
[JJ.01_035,04] Und Joseph fragte den Landpfleger, was diese Figuren wohl darstellten.
[JJ.01_035,05] Der Landpfleger aber sagte gar freundlich: „Guter Mann, siehe, das sind unsere Götter! Wir müssen sie halten und kaufen von Rom gesetzmäßig, wenn wir auch keinen Glauben daran haben.
[JJ.01_035,06] Ich betrachte sie bloß nur als Kunstwerke, und darin liegt auch einzig irgendein kleiner Wert für mich in diesen Götterfiguren; sonst aber muß ich sie nur allzeit mit der gegründetsten Verachtung ansehen!“
[JJ.01_035,07] Und der Joseph fragte darauf den Cyrenius: „Höre, wenn du also denkest, so bist du ja ein Mensch ohne Gott und ohne Religion! Beunruhigt dir denn das nicht dein Gewissen?“
[JJ.01_035,08] Und Cyrenius sprach: „Nicht im geringsten; denn wenn es keinen andern Gott gibt, als diese erzenen es da sind, da ist ja ein jeder Mensch mehr Gott als dieses dumme Erz, in dem kein Leben ist. Ich aber meine, es gibt irgend einen wahren Gott, der ewig lebendig ist und allmächtig; darum verachte ich solchen alten Unsinn!“
[JJ.01_035,09] Es war aber Cyrenius auch ein großer Kinderfreund und näherte sich darum der Maria, welche das Kind auf ihren Armen hielt, und fragte die Mutter, ob sie nicht müde sei ob der beständigen Tragung des Kindes.
[JJ.01_035,10] Und die Maria sprach: „O mächtiger Herr des Landes! Freilich wohl bin ich schon gar sehr müde; aber meine große Liebe zu diesem meinem Kinde macht mich alle Ermüdung vergessen!“
[JJ.01_035,11] Und der Landpfleger erwiderte der Maria: „Siehe, auch ich bin ein großer Kinderfreund, bin vermählet wohl, aber die Natur oder Gott haben mich noch mit keiner Nachkommenschaft gesegnet; daher pflege ich fremde Kinder – sogar die der Sklaven – nicht selten zu mir zu nehmen an Kindesstelle!
[JJ.01_035,12] Ich will damit aber nicht sagen, als sollest du mir auch das deinige geben; denn es ist ja dein Leben!
[JJ.01_035,13] Aber bitten möchte ich dich, daß du es mir auf meine Arme legen möchtest, auf daß ich es herzete und kosete ein wenig nur!“
[JJ.01_035,14] Da Maria in dem Landpfleger solche Herzlichkeit fand, sprach sie: „Wer deines Herzens ist, der mag wohl dies mein Kindlein auf seine Arme nehmen!“
[JJ.01_035,15] Hier übergab Maria das Kindlein dem Landpfleger zur Kosung, – und als der Landpfleger das Kindlein auf seine Arme nahm, da bemächtigte sich seiner ein so wonnigstes Gefühl, das er noch nie empfunden hatte.
[JJ.01_035,16] Und er trug das Kindlein im Saale hin und her – und kam mit Ihm auch dem Göttertische nahe.
[JJ.01_035,17] Diese Annäherung aber kostete sogleich allen den Götzenstatuen das Dasein, denn sie zerrannen wie Wachs auf glühendem Eisen.
[JJ.01_035,18] Darob entsetzte sich Cyrenius und sprach: „Was ist denn das? – Das harte Erz zerfloß so ganz und gar, daß von ihm aber auch nicht eine Spur zurückgeblieben ist! – Du weiser Mann aus Palästina, erkläre mir doch das! – Bist du ein Magier denn?“
36. Kapitel – Joseph im scharfen Verhör und sein Bericht über das Wesen und die Geburt des Jesuskindes. Des Cornelius Brief. Josephs Rat zum Schweigen. Widersprüche und Zweifel. Josephs energische Rechtfertigung vor dem ,Staatsanwalt‘.
29. September 1843
[JJ.01_036,01] Joseph aber war selbst über die Maßen erstaunt und sprach darum zum Cyrenius: „Höre mich an, mächtiger Pfleger des Landes! Es kann dir nicht unbekannt sein, daß da nach dem Gesetze meines Volkes ein jeder Zauberer verbrannt werden muß.
[JJ.01_036,02] Wäre ich sonach ein Zauberer, da wäre ich nicht so alt geworden, als ich bin; denn schon lange wäre ich als solcher den Hohenpriestern in Jerusalem in die Hände gefallen!
[JJ.01_036,03] Daher kann ich dir hier nichts anderes sagen, als daß diese Erscheinung sicher von der großen Heiligkeit dieses Kindes abhängt!
[JJ.01_036,04] Denn schon bei der Geburt dieses Kindes geschahen Zeichen, darüber sich alles entsetzt hatte: alle Himmel standen offen, die Winde schwiegen, die Bäche und Flüsse standen stille, die Sonne blieb am Horizonte stehen;
[JJ.01_036,05] der Mond ging nicht von der Stelle, bei drei Stunden nicht; also rückten auch die Sterne nicht weiter; die Tiere fraßen und soffen nicht, und alles, was sich sonst reget und beweget, versank in eine tote Ruhe; ich selbst war im Gehen und mußte stehen!“
[JJ.01_036,06] Als der Cyrenius solches von Joseph vernommen hatte, sprach er zu ihm: „Also ist dies das merkwürdige Kind, von dem mir mein Bruder geschrieben hatte mit den Worten:
[JJ.01_036,07] ,Bruder, eine Neuigkeit muß ich dir berichten: In der Nähe von Bethlehem ist ein Kind von einem jungen Weibe jüdischer Nation geboren worden, von dem eine große Wunderkraft ausgeht; ich möchte meinen, daß es ein Götterkind sei!
[JJ.01_036,08] Aber dessen Vater ist ein so kreuzehrlicher Jude, daß ich es nicht über mich zu bringen vermag, darüber nähere Untersuchungen anzustellen!
[JJ.01_036,09] Wenn du etwa in der Kürze nach Jerusalem ziehen solltest, so dürfte es für dich nicht ohne Interesse sein, in Bethlehem diesen Mann zu besuchen! – Ich meine stets, daß das Kind so ein verkappter junger Jupiter oder wenigstens Apollo ist. Komme aber, und urteile selbst!‘ –
[JJ.01_036,10] Siehe, guter Mann, so viel ist mir von der Sache bekannt; aber was du mir nun gesagt hast, ist mir rein unbekannt. Darum sage mir, ob du der nämliche Mann bist, von dem mir mein Bruder aus Bethlehem gemeldet hatte?“
[JJ.01_036,11] Und der Joseph sprach: „Ja, mächtiger Herr, ich bin derselbe! Wohl aber deinem Bruder, daß er dir nicht mehr von dem Kinde kundgab!
[JJ.01_036,12] Denn er hat vom Himmel ein Wort bekommen, zu schweigen von allem dem, was da geschehen ist! – Wahrlich, hätte er dir mehr gesagt, so wäre mit Rom das geschehen, was da jetzt vor deinen Augen geschehen ist mit Götterfiguren, die da standen auf dem Tische!
[JJ.01_036,13] Heil aber dir und deinem Bruder, so ihr schweigen möget; denn ihr sollet darum Gesegnete des Herrn, des ewig lebendigen Gottes, des Schöpfers Himmels und der Erde sein!“
[JJ.01_036,14] Diese Worte flößten dem Cyrenius eine große Achtung vor dem Joseph und eine Furcht vor dem Kinde ein, daß er darob sogleich wieder das Kind auf die Arme der Maria legte.
30. September 1843
[JJ.01_036,15] Nachdem aber wandte er sich wieder zum Joseph und sprach zu ihm: „Guter, ehrlicher Mann, habe nun wohl acht auf das, was ich zu dir reden werde;
[JJ.01_036,16] denn mir ist jetzt ein guter Gedanke durch den Kopf gefahren, und diesen sollst du hören und mir darüber zur Rede stehen!
[JJ.01_036,17] Siehe, wenn dieses Kind göttlicher Abkunft ist, so mußt ja auch du als dessen Vater es sein; denn ex trunco non fit Mercurius, und auf den Dornen wachsen keine Trauben! – Also kann wohl auch von einem gewöhnlichen Menschen kein Götterkind entsprossen!
[JJ.01_036,18] Du aber scheinst mir im übrigen denn doch ein ganz gewöhnlicher Mensch zu sein, so wie deine fünf andern Söhne, die da hinter dir stehen; ja die junge Mutter selbst, zwar eine artige Jüdin, scheint eben auch nichts Götterähnliches zu besitzen!
[JJ.01_036,19] Dazu gehört eine große, fast überirdische Schönheit und große Weisheit, wie wir es aus den Traditionen wissen von den Weibern, mit denen sich einmal die Götter sollen abgegeben haben, – wozu aber freilich wohl ein überaus starker Glaube gehört, den ich durchaus nicht besitze!
[JJ.01_036,20] Zudem aber muß ich dich noch auf etwas aufmerksam machen, und das ist, daß du dich mit deinem Götterkinde als ein von Bethlehem aus nach Ägypten reisen Wollender hierher hast verirren mögen, was daraus erhellt, da du traurig und verlegen warst, als ich dir angezeigt habe, wie du dich gar so weit verirrt hast auf dem Wege nach Ägypten!
[JJ.01_036,21] Sollte dein Gott – oder die Götter Roms – denn unkundig des nächsten Weges von Bethlehem aus nach Ägypten sein?
[JJ.01_036,22] Siehe, das sind grobe Widersprüche, die sich häufen, je mehr man die Sache verfolgt! Dazu ist aber doch sogar eine Drohung von dir beim Untergange Roms gegeben, so ich oder mein Bruder das Kind verriete!
[JJ.01_036,23] Warum aber sollen Götter dem schwachen Sterblichen drohen, als hätten sie eine Furcht vor ihm? – Sie brauchen ja nur frei auf die Erde zu treten, und alles muß blind gehorchen ihrem mächtigen Willen!
[JJ.01_036,24] Siehe, die Sache deiner Kundgabe kommt mir daher als eine schwache Ausflucht zu sein vor, um mich hinters Licht zu führen, auf daß ich dich nicht erkennen solle, wer du so ganz eigentlich bist, ob ein jüdischer Magier, der sich nach Ägypten begibt, um dort bei diesem Metier sein Brot zu finden, da er in seinem Vaterlande des Lebens nicht sicher ist, –
[JJ.01_036,25] oder ob etwa gar ein verschmitzter jüdischer Spion, vom herrschsüchtigen Herodes bestochen, um zu erspähen, wie da die Uferfestungen Roms bestellt sind?!
[JJ.01_036,26] Ich habe freilich wohl den Schutzbrief meines Bruders und den Brief, von dem ich dir erwähnte, – aber ich habe darüber mit meinem Bruder noch nicht gesprochen, und so können diese Dokumente auch falsch sein; denn auch meines Bruders Schrift ist nachzumachen!
[JJ.01_036,27] Ich halte dich aber nun für beides, also für einen Magier und für einen Spion! Rechtfertige dich nun auf das gründlichste, sonst bist du mein Gefangener und wirst der gerechten Strafe nicht entgehen!“
[JJ.01_036,28] Bei dieser Rede sah der Joseph dem Cyrenius fest ins Angesicht und sagte: „Sende einen Eilboten an deinen Bruder Cornelius, gebe die beiden Briefe mit, und dein Bruder solle bezeugen, ob sich die Sache mit mir also schändlich verhalte, als du der argen Meinung bist!
[JJ.01_036,29] Und solches fordere ich nun von dir; denn meine Ehre ist vor Gott, dem Ewigen, gerechtfertiget und solle nicht von einem Heiden zertreten werden! – Bist du auch ein Patrizier Roms, so bin ich aber ein Nachsohn des großen Königs David, vor dem der Erdkreis bebte, und als solcher lasse ich mich von keinem Heiden entehren!
[JJ.01_036,30] Ich aber werde dir nun nicht eher von der Seite gehen, als bis du mir meine Ehre wieder wirst hergestellt haben; – denn die Ehre, die mir Gott gegeben hat, soll mir kein Heide nehmen!“
[JJ.01_036,31] Diese energischen Worte machten den Cyrenius stutzen; denn also hatte er als Landpfleger, der da unumschränkt über Leben und Tod zu gebieten hat, noch nie ihm gegenüber reden gehört! – Er dachte darum bei sich: Wenn dieser Mensch sich nicht einer außerordentlichen Kraft mir gegenüber bewußt wäre, so könnte er nicht also reden! – Ich muß daher nun ganz anders mit ihm zu reden anfangen. –
37. Kapitel – Des Cyrenius sanftmütigere Erklärung und Josephs Erwiderung. Die Ehre, der Schatz des Armen. Das Versöhnungsmahl. Guter Rat Josephs. Des Cyrenius bestrafte Neugier. Die Empfängnisgeschichte des Kindleins. Die Anbetung des Kindleins durch Cyrenius und die Bestätigung der Wahrheit.
2. Oktober 1843
[JJ.01_037,01] Nach solcher Vornahme wandte sich Cyrenius wieder an den Joseph und sprach: „Guter Mann, du brauchst mir darum nicht gram zu werden! – denn das wirst du mir denn doch zugeben, daß ich als Landpfleger wohl das Recht haben werde, jemandem auf den Zahn zu fühlen, um zu sehen, wes Geistes er ist?!
[JJ.01_037,02] Daß ich aber dich davon nicht ausnehmen konnte – wie gerne ich es auch sonst getan haben würde –, da brauchst du nur auf jenen verhängnisvollen Tisch hinzublicken, der da seiner Zierde ledig geworden ist, und dir muß es ja doch klar sein, daß man Menschen deiner Art etwas schärfer ansehen muß als nur solche, die da bedeutungslos gleich Tagesfliegen umherstreichen.
[JJ.01_037,03] Ich meine daher, dadurch dir keine Beleidigung zugefügt zu haben, im Gegenteile nur eine Auszeichnung, indem ich dich also bedeutungsvoll ansah und redete zu dir, wie es sich für mich als Landpfleger gebührt.
[JJ.01_037,04] Denn siehe, mir ist einzig und allein nur um die volle Wahrheit über deine Herkunft zu tun, weil ich dich für sehr bedeutungsvoll ansehe!
[JJ.01_037,05] Und darum stellte ich auch geflissentlich Zweifel über dich auf, damit du ganz vor mir auftreten sollest!
[JJ.01_037,06] Deine Sprache aber hat mir gezeigt, daß du ein Mensch bist, an dem keine Täusche haftet! Und so brauche ich weder eine zweite Nachricht von meinem Bruder, noch eine höhere Beglaubigungsurkunde von irgend woandersher; denn ich sehe nun, daß du ein vollkommen ehrlicher Jude bist! – Sage, braucht es da noch mehr?“
[JJ.01_037,07] Und der Joseph sprach: „Freund, sieh, ich bin arm; du aber bist ein mächtiger Herr! – Mein Reichtum ist meine Treue und Liebe zu meinem Gott und die vollste Ehrlichkeit gegen jedermann!
[JJ.01_037,08] Du aber bist neben deiner Kaisertreue auch noch überreich an Gütern der Welt, die ich entbehre. Wenn dir jemand deiner Ehre zu nahe tritt, da bleiben dir aber dennoch die Güter der Welt.
[JJ.01_037,09] Was bleibt aber da mir, so ich die Ehre verliere? – Mit Schätzen der Welt kannst du dir die Ehre erkaufen; womit aber werde ich sie erkaufen?
[JJ.01_037,10] Darum wird der Arme ein Sklave, so er einmal seine Ehre und Freiheit vor dem Reichen verloren hat; hat er aber darüber irgend heimliche Schätze, so kann er sich Ehre und Freiheit wieder erkaufen.
[JJ.01_037,11] Du aber hast mir gedroht, mich zu deinem Gefangenen zu machen; sage, hätte ich da nicht alle meine Ehre und Freiheit verloren?
[JJ.01_037,12] Und hatte ich da nicht recht, so ich mich davor verteidigte, indem ich doch von dir, dem Landpfleger Syriens und Mitpfleger der Küste zu Tyrus und Sidon, bin zur Rede gestellt worden?“
[JJ.01_037,13] Der Cyrenius aber sprach: „Guter Mann! Nun bitte ich dich – lasse uns das Vorgefallene gänzlich vergessen!
[JJ.01_037,14] Siehe, die Sonne stehet dem Horizonte nahe! Meine Diener haben die Mahlzeit im Speisesaale bereitet; gehet daher mit mir und stärket euch, – denn ich habe keine römischen, sondern eures Volkes Speisen zurichten lassen, die ihr essen dürfet! Daher folget mir ohne einen Gram auf mich, nun eurem Freunde!“ –
[JJ.01_037,15] Und der Joseph folgte dem Cyrenius mit Maria und den fünf Söhnen in den Speisesaal und erstaunte über die Maßen über die unbeschreibliche reiche Pracht des Speisesaales selbst, wie über die Pracht der Tafelgeschirre, welche zumeist aus Gold, Silber und kostbaren Edelsteinen angefertigt waren.
[JJ.01_037,16] Da aber die reichen Gefäße mit lauter heidnischen Götterfiguren geziert waren, da sprach Joseph zum Cyrenius:
[JJ.01_037,17] „Freund, ich ersehe, daß da alle diese deine Tafelgefäße mit deinen Göttern gezieret sind! – Du kennst da aber ja schon die ausgehende Kraft meines Kindes!
[JJ.01_037,18] Siehe, so ich mich mit meinem Weibe zu Tische hinsetze und mein Weib mit ihrem Kinde, so kommst du im Augenblick um alle deine reichen Geschirre und Gefäße!
[JJ.01_037,19] Daher rate ich dir, lasse entweder ganz ungezierte Gefäße oder ganz gemeine tönerne aufsetzen, sonst stehe ich dir nicht für dein Gold und Silber!“
[JJ.01_037,20] Als der Cyrenius solches von Joseph vernommen hatte, da erschrak er und befolgte sogleich den Rat Josephs. – Die Diener brachten sobald in ganz glatten tönernen Gefäßen die Speisen und schafften die goldenen und silbernen sogleich beiseite.
[JJ.01_037,21] Es verlockte aber die Neugier dennoch den Cyrenius, dem Kinde einen herrlichen Goldpokal in die Nähe zu bringen, um sich zu überzeugen, ob des Kindes Nähe wohl auch aufs Gold so zerstörend einwirken werde, wie ehedem auf die erzenen Figuren.
[JJ.01_037,22] Und der Cyrenius mußte diese Neugier im Ernste mit dem plötzlichen Verlust des kostbaren Pokals auf eine Zeit bezahlen.
[JJ.01_037,23] Nachdem er aber des Pokals ledig geworden war, erschrak er und stand da, als wäre er von einem elektrischen Schlage berührt worden.
[JJ.01_037,24] Nach einer Weile erst sprach er: „Joseph, du großer Mann, du hast mir wohl geraten, darum danke ich dir!
[JJ.01_037,25] Ich selbst aber will verflucht sein, so ich eher von dieser Stelle weiche, als bis ich erfahre von dir, wer da dieses Kind ist, da ihm eine solche Kraft innewohnt!“
[JJ.01_037,26] Hier wandte sich Joseph zum Cyrenius und erzählte ihm in aller Kürze die Empfangs- und Geburtsgeschichte des Kindes.
[JJ.01_037,27] Und der Cyrenius aber, als er solches von Joseph in festem Tone vernommen hatte, fiel sobald vor dem Kinde nieder und betete Es an.
[JJ.01_037,28] Und siehe, im Augenblick stand der zerstörte Pokal, aber ganz glatt, auf dem Boden vor Cyrenius, von gleichem Gewichte; der Cyrenius erhob sich und wußte sich nun vor Freude und Seligkeit nicht zu helfen.
38. Kapitel – Des Cyrenius heidnischer Vorschlag, das Wunderkind an den Kaiserhof nach Rom zu bringen. Josephs gute Entgegnung mit Hinweis auf die Niedrigkeit des Herrn.
4. Oktober 1843
[JJ.01_038,01] In dieser seligen Gemütsstimmung sprach der Cyrenius zum Joseph: „Höre mich weiter an, du großer Mann! – Wäre ich nun Kaiser zu Rom, ich würde dir den Thron und die Kaiserkrone abtreten!
[JJ.01_038,02] Und wüßte es der Kaiser Augustus also, wie ich nun, – für dieses Kind, da würde er dasselbe tun! Hält er auch große Stücke darauf, daß er der mächtigste Kaiser der Erde ist, so aber weiß ich doch auch, wie sehr er alles Göttliche weit über sich setzt.
[JJ.01_038,03] Willst du, so schreibe ich an den Kaiser und versichere dir im voraus, daß er dich nach Rom mit der größten Ehre ziehen wird und wird dem Kinde, als einem unzweideutigen Sohne des höchsten Gottes, den größten und herrlichsten Tempel erbauen!
[JJ.01_038,04] Und wird Ihn erhöhen im selben bis ins Infinitum und wird selbst sich in den Staub legen vor dem Herrn, dem die Elemente und alle Götter gehorchen müssen!
[JJ.01_038,05] Daß solches aber bei dem Kinde der Fall ist, habe ich mich nun zum zweiten Male überzeugt, indem vor Ihm sich nicht einmal der Jupiter zu schützen vermag und kein Erz vor Seiner Macht besteht!
[JJ.01_038,06] Wie gesagt, so du willst, will ich heute noch Boten nach Rom senden! – Fürwahr, das würde in der großen Kaiserstadt eine unendliche Sensation erregen und würde das stolze Priestertum sicher etwas herabsetzen, das da ohnehin nicht mehr weiß, auf welche Art es die Menschheit am zweckdienlichsten betrügen und belügen solle!“
[JJ.01_038,07] Joseph aber entgegnete dem Cyrenius: „Lieber, guter Freund! – Meinst du denn, daß Dem an der Ehrung Roms etwas gelegen ist, dem da Sonne, Mond, Sterne und alle Elemente der Erde allzeit gehorchen müssen!
[JJ.01_038,08] Hätte Er gewollt, daß Ihn alle Welt ehrete wie einen Götzen, da wäre Er vor aller Welt Augen in aller Seiner ewig unendlichen göttlichen Majestät zur Erde herabgekommen! – Dadurch aber wäre auch alle Welt zum Untergange gerichtet worden!
[JJ.01_038,09] Er aber hat die Niedrigkeit der Welt erwählt, um die Welt zu beseligen, wie es geschrieben steht im Buche der Propheten; und so lasse du es mit der Botschaft nach Rom gut sein!
[JJ.01_038,10] Willst du aber Rom vernichtet sehen, da tue, wie es dir gut dünket! – Denn siehe, Dieser ist gekommen zum Falle der Welt der Großen und Mächtigen, und zur Erlösung der Armseligen, ein Trost den Betrübten, und zur Auferstehung derer, die im Tode sind!
[JJ.01_038,11] Ich glaube also fest in meinem Herzen, – aber nur dir habe ich nun diesen meinen Glauben kundgetan; sonst aber solle ihn niemand von mir ausgesprochen vernehmen!
[JJ.01_038,12] Behalte aber auch du diese Worte als ein Heiligtum der Heiligtümer in deinem Herzen bis zur Zeit, da dir eine neue Lebenssonne aufgehen wird, so wirst du gut fahren!“
[JJ.01_038,13] Diese Worte Josephs gingen wie Pfeile ins Herz des Cyrenius und stimmten ihn ganz um, so zwar, daß er sogleich bereit gewesen wäre, all sein Ansehen niederzulegen und die Niedrigkeit zu ergreifen.
[JJ.01_038,14] Aber Joseph sagte zu ihm: „Freund! Freund! – bleibe, was du bist; denn die Macht in der Hand von Menschen deiner Art ist ein Segen Gottes dem Volke! – Denn siehe, was du bist, das bist du weder aus dir, noch aus Rom, sondern allein aus Gott! Daher bleibe, was du bist!“ – Und der Cyrenius lobte den unbekannten Gott und setzte sich dann zum Tische und aß und trank heiteren Mutes mit Joseph und Maria.
39. Kapitel – Des Cyrenius Mäßigkeit im Essen und Trinken. Josephs Dankgebet und seine gute Wirkung auf Cyrenius. Josephs Worte vom Tode und ewigen Leben.
5. Oktober 1843
[JJ.01_039,01] Obschon aber sonst die Römer an lange dauernde Freßgelage gewöhnt waren, so war aber doch davon der Cyrenius eine Ausnahme.
[JJ.01_039,02] Wenn er dergleichen Freßgelage nicht dann und wann zur Ehrung des römischen Kaisers halten mußte, so war bei ihm die Mahlzeit nur kurz; denn er war einer derjenigen Philosophen, die da sagen: „Der Mensch lebt nicht, um zu essen, sondern er ißt nur, um zu leben, – und dazu braucht es nicht tagelang dauernder Freßgelage.“
[JJ.01_039,03] Und so war denn auch die geheiligte Mahlzeit nur kurz und war bloß auf die nötige Stärkung des Leibes berechnet.
[JJ.01_039,04] Nach der also kurzen Mahlzeit dankte der Joseph dem Herrn für Speise und Trank und segnete dafür den Gastgeber.
[JJ.01_039,05] Dieser aber ward darob sehr gerührt und sagte zu Joseph: „O wie hoch doch stehet deine Religion über der meinigen! – Um wie vieles stehest du der allmächtigen Gottheit näher denn ich!
[JJ.01_039,06] Und um wie vieles bist du daher auch mehr Mensch, als ich es je werde werden können!“
[JJ.01_039,07] Joseph aber erwiderte dem Cyrenius: „Edler Freund, du kümmerst dich um etwas, was dir der Herr soeben jetzt gegeben hat!
[JJ.01_039,08] Ich aber sage dir: Bleibe du, was du bist; in deinem Herzen aber allein nur vor Gott, dem ewigen Herrn, demütige dich und suche allen Menschen im geheimen Gutes zu tun, und du bist Gott so nahe als meine Väter Abraham, Isaak und Jakob!
[JJ.01_039,09] Siehe, in diesem Kinde hat dich ja der allmächtige Gott heimgesucht; du hast Ihn auf deinen Armen getragen! – Was willst du noch mehr? Ich sage dir, du bist gerettet vom ewigen Tode und wirst hinfort keinen Tod an dir mehr sehen, noch fühlen, noch schmecken!“ –
[JJ.01_039,10] Hier sprang der Cyrenius vor Freude auf und sprach: „O Mann! – was sprichst du?! – ich werde nicht sterben?!
[JJ.01_039,11] O sage mir, wie ist solches möglich?! – Denn siehe, bis jetzt ist noch kein Mensch vom Tode verschont geblieben! – Sollte ich also wirklich in die Zahl der ewig lebendigen Götter aufgenommen werden also, wie ich jetzt lebe?!“
[JJ.01_039,12] Joseph aber sprach: „Edler Freund, du hast mich nicht verstanden; ich aber will dir sagen, wie es an deinem irdischen Ende zugehen wird. Und so wolle mich in aller Kürze anhören!
[JJ.01_039,13] So du ohne diese Gnade gestorben wärest, da hätten schwere Krankheit, Schmerzen, Kummer und Verzweiflung deinen Geist und deine Seele samt dem Leibe getötet, und dir wäre nach diesem Tode nichts geblieben als ein quälendes, dumpfes Bewußtsein deiner selbst.
[JJ.01_039,14] In dem Falle glichest du jemandem, der da im eigenen Hause, welches über ihm zusammengestürzt ist, halb zu Tode verschüttet wurde und ward also beim lebendigen Leibe begraben und muß nun also den Tod fühlen und gar verzweifelt bitter schmecken, indem er sich nimmer zu helfen vermag.
[JJ.01_039,15] Stirbst du aber nun in dieser Gnade Gottes, da wird nur dieser schwere Leib dir schmerzlos abgenommen werden, und du wirst erwachen zu einem ewigen vollkommensten Leben, in dem du nicht mehr fragen wirst: Wo ist mein irdischer Leib?!
[JJ.01_039,16] Und du wirst, so dich der Herr des Lebens rufen wird, nach deiner geistigen Freiheit selbst deinen Leib ausziehen können wie ein altes lästiges Gewand!“
[JJ.01_039,17] Diese Worte machten auf den Cyrenius einen allermächtigsten Eindruck. Er fiel darob vor dem Kinde nieder und sprach: „O Herr der Himmel! So belasse mich denn in solcher Gnade!“ Das Kind aber lächelte ihn an und hob ein Händchen über ihn. –
40. Kapitel – Des Cyrenius Hochachtung vor der Maria. Die trostreiche Antwort der Maria. Der Glückwunsch des Cyrenius an Joseph. Josephs Worte über die wahre Weisheit.
6. Oktober 1843
[JJ.01_040,01] Nachdem stand der Cyrenius auf und sprach zur Maria: „O du glücklichste aller Weiber und aller Mütter der Erde! – Sage mir doch, wie es dir ums Herz ist, so du doch sicher in dir die vollste Überzeugung hast, daß da der Herr Himmels und der Erde auf deinen Armen ruht!“
[JJ.01_040,02] Maria aber sprach: „Freund, wie fragst du mich darum, was dir dein eigenes Herz sagt?
[JJ.01_040,03] Siehe, wir gehen auf derselben Erde, die Gott aus Sich erschaffen hat, Seine Wunder treten wir fort und fort mit unseren Füßen, – und doch gibt es Millionen und Millionen Menschen, die ihre Knie lieber vor den Werken ihrer Hände beugen als vor dem ewig wahren lebendigen Gott!
[JJ.01_040,04] Wenn aber Gottes große Werke die Menschen nicht zu wecken vermögen, wie solle das nun ein Kind in den Windeln bewirken?
[JJ.01_040,05] Darum wird es nur wenigen gegeben sein, in dem Kinde den Herrn zu erkennen! – Jenen nur, die dir gleich eines guten Willens sind.
[JJ.01_040,06] Die aber eines guten Willens sind, die werden nicht Not haben, zu mir zu kommen, auf daß ich ihnen kund täte, wie es mir ums Herz ist.
[JJ.01_040,07] Das Kind wird Sich Selbst offenbaren in ihren Herzen und wird sie segnen und wird es sie fühlen lassen, was da fühlt die Mutter, die das Kind auf ihren Armen trägt! –
[JJ.01_040,08] Glücklich, ja überglücklich bin ich, da ich dies Kind auf meinen Armen trage!
[JJ.01_040,09] Aber größer und glücklicher noch werden in der Zukunft diejenigen sein, die Es allein in ihren Herzen tragen werden!
[JJ.01_040,10] Trage Es auch du unvertilgbar in deinem Herzen, und es wird dir werden, dessen dich mein Gemahl Joseph versichert hat!“
[JJ.01_040,11] Als Cyrenius diese Worte von der holden Maria vernommen hatte, konnte er sich nicht genug verwundern über ihre Weisheit.
[JJ.01_040,12] Er sagte darob zum Joseph: „Höre, du glücklichster aller Männer der Erde! Wer hätte je solch eine allertiefste Weisheit in deinem jungen Weibe gesucht!?
[JJ.01_040,13] Fürwahr, so es irgend eine Minerva gäbe, da müßte sie sich ja endlos tiefst verkriechen vor ihr, dieser allerholdesten Mutter!“
[JJ.01_040,14] Der Joseph aber sprach: „Siehe, ein jeder Mensch kann weise sein in seiner Art aus Gott; ohne Den aber gibt es keine Weisheit auf der Erde!
[JJ.01_040,15] Daraus aber ist ja auch die Weisheit meines Weibes erklärlich.
[JJ.01_040,16] Da aber der Herr aus dem Maule der Tiere schon zu den Menschen geredet hat, wie sollte Er das nicht können durch den Mund der Menschen?!
[JJ.01_040,17] Doch lassen wir nun das; denn ich meine, es wird Zeit sein, für die morgige Abreise zu sorgen!“
[JJ.01_040,18] Der Cyrenius aber sagte: „Joseph, sei des unbekümmert; denn dafür ist schon lange gesorgt; ich selbst werde dich morgen bis Ostracine begleiten.“ –
41. Kapitel – Josephs Voraussage vom Kindermord. Des Cyrenius Grimm über Herodes. Die glückliche Seereise nach Ägypten. Josephs Segen als Fährlohn an die Schiffer und an Cyrenius.
9. Oktober 1843
[JJ.01_041,01] Darauf sprach Joseph zum Cyrenius: „Edler Freund, gut und edel ist dein Vorsatz; aber du wirst ihn kaum auszuführen imstande sein!
[JJ.01_041,02] Denn siehe, noch in dieser Nacht werden Briefe zu dir gelangen vom Herodes aus, in denen du aufgefordert wirst, alle Kindlein männlichen Geschlechtes von ein bis zwei Jahren längs dem Meeresufer aufzufangen und nach Bethlehem zu schicken, damit sie Herodes dort töten wird!
[JJ.01_041,03] Du kannst dich aber dem Herodes wohl widersetzen; aber dein armer Bruder muß leider zu diesem bösen Spiele eine politisch gute Miene machen, um sich nicht dem Bisse dieser giftigsten aller Schlangen auszusetzen.
[JJ.01_041,04] Glaube mir, während ich nun bei dir bin, wird in Bethlehem gemordet, und hundert Mütter zerreißen in Verzweiflung ihre Kleider ob dem grausamsten Verluste ihrer Kinder!
[JJ.01_041,05] Und das geschieht alles dieses einen Kindes wegen, von dem die drei Weisen Persiens geistig aussagten, daß Es ein König der Juden sein wird!
[JJ.01_041,06] Herodes aber verstand darunter einen Weltkönig, darum will er ihn töten, indem er selbst die Herrschaft Judäas erblich auf sich bringen will und fürchtet, dieser möchte sie ihm einst entreißen, – während dies Kind doch nur in die Welt kam, das Menschengeschlecht zu erlösen vom ewigen Tode!“ –
[JJ.01_041,07] Als der Cyrenius solches vernommen hatte, da sprang er auf vor Grimm gegen den Herodes und sprach zu Joseph:
[JJ.01_041,08] „Höre mich an, du Mann Gottes! Dieses Scheusal solle mich nicht zu seinem Werkzeuge dingen! – Heute noch werde ich mit dir abreisen, und in meinem eigenen dreißigruderigen Schiffe wirst du ein gutes Nachtlager finden!
[JJ.01_041,09] Meinen vertrautesten und bei allen Göttern geschwornen Amtsgehilfen aber werde ich schon die Weisung geben, was sie mit allen Boten zu tun haben, die da mit an mich gerichteten Depeschen hier anlangen.
[JJ.01_041,10] Siehe, nach unseren geheimen Gesetzen müssen sie so lange in Gewahrsam gehalten werden, bis ich wieder hierher komme!
[JJ.01_041,11] Die Briefe aber werden ihnen abgenommen und müssen mir ohne Wissen der Herodesboten nachgesandt werden, auf daß ich daraus ersehe, wessen Inhaltes sie sind.
[JJ.01_041,12] Ich aber weiß nun schon, wes Inhaltes die Briefe sicher sein werden, und weiß auch, wie lange ich ausbleiben werde; sollten Nachboten kommen, so wird auch sie der Wartturm aufnehmen auf so lange, bis ich wiederkomme!
[JJ.01_041,13] Und so lasse du nun deine Familie reisefertig machen, und wir wollen sogleich mein sicheres Schiff besteigen!“
[JJ.01_041,14] Der Joseph aber ward nun damit zufrieden, und in einer Stunde befanden sich alle ganz wohl untergebracht im Schiffe; selbst die Lasttiere Josephs wurden wohl untergebracht. Ein Nordwind blies, und die Fahrt ging wohl vonstatten.
10. Oktober 1843
[JJ.01_041,15] Sieben Tage dauerte die Fahrt, und alle Matrosen und Schiffsleute beteuerten, daß sie so ganz ohne den allergeringsten Anstand noch nie dieses Gewässer durchrudert hätten, als diesmal, –
[JJ.01_041,16] was sie aber für diese Zeit um so mehr für wunderbar hielten, indem – wie sie ihres Glaubens sagten – der Neptun in dieser Zeit gar heikel sei mit seinem Elemente, da er seine Schöpfungen im Grunde des Meeres ordne und mit seiner Dienerschaft Rat halte!
[JJ.01_041,17] Der Cyrenius aber sagte zu den sich wundernden Schiffsleuten: „Höret, es gibt eine zweifache Dummheit: die eine ist frei, die andere geboten!
[JJ.01_041,18] Wäret ihr in der freien, da wäre euch zu helfen; aber ihr seid in der gebotenen, welche sanktioniert ist, und da ist euch nicht zu helfen, –
[JJ.01_041,19] und so möget ihr ja dabei bleiben, als habe Neptunus seinen Dreizack verloren und habe sich nun nicht getraut, mit seiner schuppigen Hand uns zu züchtigen für unsern Frevel, den wir an ihm begangen haben!“
[JJ.01_041,20] Der Joseph aber sprach zum Cyrenius, fragend: „Ist es nicht üblich, daß man den Schiffsleuten einen Lohn verabreicht? Sage es mir, und ich will es tun, wie sich’s gebührt, damit sie uns nichts Übles nachreden sollen!“
[JJ.01_041,21] Cyrenius aber sagte: „Lasse das gut sein; denn siehe, diese sind unter meinem Gebote und haben ihren Dienstsold, – daher hast du dich um Weiteres nicht zu kümmern!“
[JJ.01_041,22] Joseph aber erwiderte: „Das ist sicher und wahr, – aber sie sind doch auch Menschen wie wir; daher sollen wir ihnen auch als Menschen entgegenkommen!
[JJ.01_041,23] Ist ihre Dummheit eine gebotene, so sollen sie ihre Haut dem Gebote weihen, aber ihren Geist solle meine Gabe ihnen frei machen!
[JJ.01_041,24] Lasse sie daher hierher kommen, auf daß ich sie segne und sie in ihren Herzen möchten zu gewahren anfangen, daß auch für sie die Sonne der Gnade und Erlösung aufgegangen ist!“
[JJ.01_041,25] Hier berief der Cyrenius die Schiffsleute zusammen, und Joseph sprach über sie folgende Worte:
[JJ.01_041,26] „Höret mich an, ihr getreuen Diener Roms und dieses eures Herrn! – Treu und fleißig habt ihr das Schiff geleitet; ein guter Lohn solle von mir, dem diese Fahrt galt, euch dargereichet werden!
[JJ.01_041,27] Aber ich bin arm und habe weder Gold noch Silber; aber ich habe die Gnade Gottes im reichen Maße, und das ist die Gnade jenes Gottes, den ihr den ,Unbekannten‘ nennet!
[JJ.01_041,28] Diese Gnade möge euch der große Gott in eure Brust gießen, auf daß ihr lebendigen Geistes werdet!“
[JJ.01_041,29] Auf diese Worte kam über alle ein endloses Wonnegefühl, und alle fingen an, den unbekannten Gott zu loben und zu preisen.
[JJ.01_041,30] Und der Cyrenius erstaunte über diese Wirkung des Segens von Joseph und ließ sich dann selbst segnen von Joseph.
42. Kapitel – Die Wirkung des Gnadensegens an Cyrenius. Josephs demütiges Selbstbekenntnis und Rat an Cyrenius. Die Ankunft in Ostracine (Ägypten).
11. Oktober 1843
[JJ.01_042,01] Auch der Cyrenius ward von einem großen Wonnegefühl befallen, daß er darob sprach: „Höre du, mein achtbarster Mann! – Ich empfinde nun also, wie ich’s empfunden habe, als ich das Kindlein auf meinen Armen hielt.
[JJ.01_042,02] Bist du denn mit demselben einer Natur? – Oder wie ist das, daß ich nun den gleichen Segen empfinde?“
[JJ.01_042,03] Der Joseph aber sprach: „Edler Freund! – nicht von mir, sondern allein vom Herrn Himmels und der Erde geht eine solche Kraft aus!
[JJ.01_042,04] Mich durchströmt sie nur bei solcher Gelegenheit, um dann segnend in dich überzufließen; aber ich selbst habe solche Kraft ewig nicht, denn Gott allein ist Alles in Allem!
[JJ.01_042,05] Ehre aber in deinem Herzen stets diesen einen, allein wahren Gott, so wird die Fülle dieses Seines Segens nie von dir entweichen!“
[JJ.01_042,06] Und weiter sprach Joseph: „Und nun Freund, siehe, wir haben mit der allmächtigen Hilfe des Herrn dieses Ufer erreicht, sind aber, wie es mir vorkommt, noch lange nicht in Ostracine!
[JJ.01_042,07] Wo zu liegt es denn, auf daß wir dahin zögen? – Denn siehe, der Tag neiget sich! Was werden wir tun? Werden wir weiterziehen oder hier verbleiben bis morgen?“
[JJ.01_042,08] Und der Cyrenius sprach: „Siehe, wir sind am Eingange der großen Bucht, in deren innerstem Winkel zu unserer Rechten Ostracine liegt als eine reiche Handelsstadt!
[JJ.01_042,09] In mäßigen drei Stunden mögen wir sie erreichen; aber so wir in der Nacht dort anlangen, so werden wir schwer eine Unterkunft finden! Daher wäre ich der Meinung, für heute hier im Schiffe zu übernachten und uns morgen dahin zu begeben.“
[JJ.01_042,10] Joseph aber sprach: „O Freund, wenn es nur drei Stunden sind, da sollten wir nicht hier übernachten! Dein Schiff mag wohl hier verbleiben, auf daß du kein Aufsehen erregest in dieser Stadt – und ich im geheimen komme an den Ort meiner Bestimmung!
[JJ.01_042,11] Denn würde die römische Besatzung alldort das Schiff eines Landpflegers Roms entdecken, so müßte sie dich mit großen Ehren empfangen,
[JJ.01_042,12] und ich müßte dann nolens volens mit dir als Freund deine Beehrungen teilen, was mir wirklich im höchsten Grade unangenehm wäre.
[JJ.01_042,13] Daher wäre es mir wohl sehr erwünscht, daß wir uns sogleich weiter auf die Reise macheten! – Denn siehe, meine Lasttiere sind nun hinreichend ausgerastet und können uns gar leicht in kurzer Zeit nach Ostracine bringen!
[JJ.01_042,14] Meine Söhne sind stark und gut bei Füßen; diese können zu Fuß gehen, und du bedienest dich mit einer nötigen Dienerschaft ihrer fünf Lasttiere, und so ziehen wir leicht den Weg nach der nimmer fernen Stadt!“
[JJ.01_042,15] Cyrenius willigte in den Rat Josephs, übergab das Schiff den Schiffsleuten zur treuen Obhut, nahm dann vier Diener mit sich, bestieg die Lasttiere Josephs und zog dann sogleich mit Joseph in die Stadt.
[JJ.01_042,16] In zwei Stunden war diese erreicht. Als sie aber in die Stadt einzogen, wurden sie um Schutzbriefe von der Torwache belangt.
[JJ.01_042,17] Cyrenius aber gab sich dem Wachkommandanten zu erkennen; dieser ließ sogleich ihn begrüßen von den Soldaten und machte dann sogleich Anstalten für die Unterkunft.
[JJ.01_042,18] Und so ward unsere Reisegesellschaft ohne den geringsten Anstand alsogleich in dieser Stadt recht wohl aufgenommen und auf das vorteilhafteste untergebracht.
43. Kapitel – Der Ankauf eines Landhauses für die heilige Familie durch Cyrenius.
12. Oktober 1843
[JJ.01_043,01] Des andern Tages am Morgen aber sandte Cyrenius sogleich einen Boten zum Obersten der Militärbesatzung und ließ ihm sagen, daß er sobald als tunlich, aber ohne alles Gepränge zu ihm kommen solle.
[JJ.01_043,02] Und der Oberste kam zum Cyrenius und sprach: „Hoher Stellvertreter des großen Kaisers in Coelesyrien und oberster Kommandant von Tyrus und Sidon, lasse mich vernehmen deinen Willen!“
[JJ.01_043,03] Und der Cyrenius sprach: „Mein geachtetster Oberster! Fürs erste wünsche ich, daß mir diesmal keine Ehrenbezeigungen erwiesen werden; denn ich bin inkognito hier.
[JJ.01_043,04] Fürs zweite aber möchte ich von dir erfahren, ob hier entweder in der Stadt selbst ein kleines Wohnhaus oder wenigstens nicht ferne von der Stadt irgend eine Villa käuflich oder wenigstens mietlich zu haben ist.
[JJ.01_043,05] Denn ich möchte für eine überaus hochschätzbarste, allerehrenwerteste jüdische Familie so etwas kaufen.
[JJ.01_043,06] Denn diese Familie hat sich aus uns wohlbekannten Gründen aus Palästina, von dem saubern Herodes verfolgt, flüchten müssen und sucht nun Schutz in unserer römischen Biederkeit und allzeitigen strengen Gerechtigkeit.
[JJ.01_043,07] Ich habe alle Umstände dieser Familie genau untersucht und habe sie als höchst rein und gerecht befunden! – Daß sie aber unter solchen Umständen unter Herodes freilich wohl nicht bestehen kann, das ist ebenso gut begreiflich, als es begreiflich ist, daß dieses Scheusal von einem Vierfürsten Palästinas und einem Teile Judäas Roms größter Feind ist!
[JJ.01_043,08] Ich meine, du verstehst mich, was ich dir damit sagen will? – Daher also möchte ich für diese benannte Familie allhier so etwas Kleines und Nutzbares ankaufen.
[JJ.01_043,09] Wenn dir so etwas bekannt ist, so tue mir den Gefallen und zeige es mir an! Denn siehe, ich kann mich für diesmal nicht lange aufhalten, da wichtige Geschäfte meiner harren in Tyrus; daher muß alles noch heute in die Ordnung gebracht werden!“
[JJ.01_043,10] Und der Oberste sprach zum Cyrenius: „Durchlauchtigster Herr! Da ist der Sache bald abgeholfen; ich selbst habe mir etwa eine halbe Milie außer der Stadt eine recht nette Villa erbaut und habe da Obstgärten und drei schöne Kornäcker angelegt.
[JJ.01_043,11] Mir aber bleibt zu wenig Zeit übrig, mich damit gehörig abgeben zu können. Sie ist mein vollkommenes Eigentum; wenn du sie haben willst, so ist sie mir um hundert Pfund samt Schutz und Schirm verkäuflich und kann als ein unbesteuertes Gut besessen werden.“
[JJ.01_043,12] Als der Cyrenius solches vernommen hatte, reichte er dem Obersten die Hand, ließ sich von seinen Dienern die Säckel bringen und zahlte dem Obersten die Villa sogleich noch ungesehen bar aus und ließ sich dann, ungesehen von Joseph, vom Obersten dahin geleiten, um da seinen Kauf zu besichtigen.
[JJ.01_043,13] Als er die ihm überaus gut gefallende Villa besehen hatte, da befahl er sogleich seinen Dienern, in der Villa so lange zu verweilen, bis er mit der Familie zurückkommen werde.
[JJ.01_043,14] Sodann begab er sich mit dem Obersten in die Stadt, ließ sich von ihm auf Pergament den Schutz- und Schirmbrief ausfolgen, empfahl sich dann beim Obersten und begab sich damit voll heimlicher Freude hin zum Joseph.
[JJ.01_043,15] Dieser fragte ihn sogleich, sagend: „Guter lieber Freund, ich muß meinem Gotte danken, daß Er dich also gesegnet hat, daß du mir bisher so viel Freundschaft hast erweisen mögen!
[JJ.01_043,16] Ich bin nun gerettet und habe hier für diese Nacht eine herrliche Unterkunft gehabt! – Aber ich muß hier verbleiben; wie wird es in der Zukunft aussehen – wo werde ich wohnen, wie mich fortbringen? – Siehe, dafür muß ich mich sogleich umsehen.“
[JJ.01_043,17] Und der Cyrenius sagte: „Ganz wohl, mein allerachtbarster Mann und Freund, lasse daher deine Familie aufpacken deine Sachen, und ziehe dann sogleich mit Sack und Pack mit mir, und wir wollen einige hundert Schritte außer der Stadt etwas aufsuchen, weil in der Stadt meiner Erkundigung nach nichts zu haben ist!“ – Das gefiel dem Joseph wohl, und er tat, was der Cyrenius verlangte.
44. Kapitel – Joseph mit der heiligen Familie im neuen Heim. Cyrenius als Gast. Der Dank Josephs und Marias.
13. Oktober 1843
[JJ.01_044,01] Als der Cyrenius bei der gekauften Villa mit dem Joseph und dessen Familie anlangte, da sagte der Joseph zum Cyrenius:
[JJ.01_044,02] „Edler Freund, da gefiele es mir; eine prunklose Villa, ein artiger Obstgarten voll Datteln, Feigen, Granatäpfeln, Orangen, Äpfeln und Birnen, Kirschen,
[JJ.01_044,03] Trauben, Mandeln, Melonen und einer Menge Grünzeug! Und daneben ist noch Wiesengrund und drei Kornäcker, das alles sicher hierzu gehört!
[JJ.01_044,04] Fürwahr, nicht Glänzendes und Prunkendes möchte ich haben; aber diese nutzbringend angelegte Villa, die da eine große Ähnlichkeit hat mit meinem Mietgrunde zu Nazareth in Judäa, möchte ich entweder mieten oder gar kaufen!“
[JJ.01_044,05] Hier zog der Cyrenius den Kauf- Schutz-und-Schirmbrief hervor und übergab ihn dem Joseph mit den Worten:
[JJ.01_044,06] „Der Herr, dein und nun auch mein Gott, segne es dir! Hiermit übergebe ich dir den steuerfreien Vollbesitz dieser Villa!
[JJ.01_044,07] Alles, was du mit einem Gebüsch dicht umwachsen und mit einem Palisadenzaune umfangen erschaust, gehört zu dieser Villa! Hinter dem Wohngebäude ist noch eine geräumige Stallung für Esel und Kühe! Zwei Kühe wirst du finden; Lasttiere aber hast du ohnehin genug für deinen Bedarf.
[JJ.01_044,08] Solltest du aber etwa mit der Zeit wieder in dein Vaterland zurückkehren wollen, so kannst du diese Besitzung verkaufen und mit dem Gelde dir irgend woanders etwas anschaffen!
[JJ.01_044,09] Mit einem Worte – du, mein großer Freund, bist von nun an im Vollbesitze dieser Villa und kannst damit tun, was du willst.
[JJ.01_044,10] Ich aber werde heute, morgen und übermorgen noch hier verbleiben, damit des Herodes arge Boten desto länger auf mich harren sollen!
[JJ.01_044,11] Und nur diese kurze Zeit will ich einen Mitgebrauch, aus großer Liebe zu dir, von dieser Villa machen!
[JJ.01_044,12] Ich dürfte es zwar nur gebieten, und es müßte mir im Augenblicke der kaiserliche Palast eingeräumt werden, – fürs erste, weil ich mit der kaiserlichen Vollmacht ausgerüstet bin,
[JJ.01_044,13] und fürs zweite, weil ich ein naher Anverwandter des Kaisers bin!
[JJ.01_044,14] Aber dieses alles vermeide ich aus großer Achtung und Liebe zu dir, ganz besonders aber zu dem Kinde, das ich wenigstens unwiderruflich für den Sohn des allerhöchsten Gottes halte!“
[JJ.01_044,15] Der Joseph aber war über diese edle Überraschung so sehr gerührt, daß er aus dankbarster Freude nur weinen, aber nicht reden konnte.
[JJ.01_044,16] Auch der Maria ging’s nicht besser; aber sie faßte sich eher und ging zum Cyrenius und drückte ihre Dankbarkeit dadurch aus, daß sie das Kindlein dem Cyrenius auf die Arme legte. Und der Cyrenius sprach ganz gerührt: „O Du mein großer Gott und Herr, ist denn auch ein Sünder wert, Dich auf seinen Händen zu tragen? – O sei mir denn gnädig und barmherzig!“
45. Kapitel – Die Besichtigung des neuen Heimwesens. Marias und Josephs Dankesworte. Des Cyrenius Interesse an der Geschichte Israels.
14. Oktober 1843
[JJ.01_045,01] Joseph nahm, nachdem er sich aus seiner großen Überraschung erholt hatte, mit dem Cyrenius alles in Augenschein.
[JJ.01_045,02] Und Maria, die das Kindlein von den Armen des Cyrenius wieder nahm, besah auch alles mit und hatte eine rechte Freude über die große Güte des Herrn, darum Er auch irdisch für sie so wohl gesorgt hatte.
[JJ.01_045,03] Und als sie alles besehen hatten und ins reine Wohnhaus eingekehrt waren, da sprach die Maria ganz selig zum Joseph:
[JJ.01_045,04] „O mein teurer, geliebter Joseph! Siehe, ich bin über die Maßen fröhlich, daß der Herr so gut für uns gesorgt hat!
[JJ.01_045,05] Ja, es kommt mir überhaupt vor, als hätte der Herr die ganze alte Ordnung umgekehrt!
[JJ.01_045,06] Denn siehe, einst führte Er die Kinder Israels aus Ägypten ins gelobte Land Palästina, damals Kanaan genannt.
[JJ.01_045,07] Nun aber hat Er Ägypten wieder zum gelobten Lande gemacht und floh mit uns oder führte uns vielmehr Selbst hierher, von wo Er einst unsere Väter erlösend führte durch die Wüste ins gelobte Land, das da überfloß von Milch und Honig.“
[JJ.01_045,08] Und der Joseph sprach: „Maria, du hast eben nicht ganz unrecht in deiner heiteren Bemerkung;
[JJ.01_045,09] aber nur bin ich der Meinung, daß deine Aussage nur für diese unsere gegenwärtige Stellung taugt.
[JJ.01_045,10] Im allgemeinen aber kommt es mir also vor, als hätte der Herr nun mit uns das getan, was Er einst mit den Söhnen Jakobs getan hat, als eben im Lande Kanaan die große Hungersnot ausgebrochen war!
[JJ.01_045,11] Das israelitische Volk blieb dann bis Moses in Ägypten; aber Moses führte es wieder heim durch die Wüste.
[JJ.01_045,12] Und ich glaube, also wird es uns auch ergehen; auch wir werden nicht hier begraben werden und werden sicher müssen zur rechten Zeit wieder nach Kanaan zurückkehren!
[JJ.01_045,13] Zu unserer Väter Heimführungszeit mußte zwar erst ein Moses erweckt werden; wir aber haben den Moses des Moses schon in unserer Mitte!
[JJ.01_045,14] Und so meine ich, es wird also geschehen, wie ich es ausgesprochen habe.“
[JJ.01_045,15] Und die Maria behielt alle diese Worte in ihrem Herzen und gab dem Joseph das Recht.
[JJ.01_045,16] Auch der Cyrenius hatte diesem Gespräch aufmerksamst zugehört und gab dann dem Joseph zu verstehen, daß er mit der Urgeschichte der Juden näher bekannt werden möchte. –
46. Kapitel – Die gemeinsame Mahlzeit und Josephs Erzählung über die Geschichte der Schöpfung, der Menschheit und des jüdischen Volkes. Des Cyrenius vorsichtiger Bericht an den Kaiser und seine gute Wirkung.
16. Oktober 1843
[JJ.01_046,01] Joseph befahl dann seinen Söhnen, die Tiere zu versorgen und dann nachzusehen, wie es mit den Eßwaren aussehe.
[JJ.01_046,02] Und diese gingen und taten alles nach dem Willen Josephs, versorgten die Tiere, melkten die Kühe,
[JJ.01_046,03] gingen dann in die Speisekammer und fanden dort einen großen Vorrat von Mehl, Brot, Früchten und auch mehrere Töpfe voll Honig.
[JJ.01_046,04] Denn der Wachkommandant war ein großer Bienenzüchter nach der Schule, wie sie in Rom gang und gäbe war, daß sie darum sogar ein damaliger Dichter Roms besang.
[JJ.01_046,05] Und sie brachten daher bald Brot, Milch, Butter und Honig in das Wohnzimmer zu Joseph.
[JJ.01_046,06] Und Joseph besah alles, dankte Gott und segnete all die Speisen, ließ sie dann auf den Tisch legen und bat den Cyrenius, daran teilzunehmen.
[JJ.01_046,07] Dieser erfüllte auch den Wunsch Josephs gerne; denn auch er war ein großer Freund von Milch und Honigbrot.
[JJ.01_046,08] Während der Mahlzeit aber erzählte der Joseph dem Cyrenius ganz kurz die Geschichte des jüdischen Volkes nebst der Geschichte der Schöpfung und des Menschengeschlechtes
[JJ.01_046,09] und stellte das alles also bündig und folgerecht dar, daß es dem Cyrenius ganz einleuchtend ward, daß da Joseph sicher die verbürgteste Wahrheit geredet hatte.
[JJ.01_046,10] Er ward darob einesteils sehr vergnügt für seinen Teil, aber wieder anderseits betrübt für die Seinen in Rom, von denen er wohl wußte, in welch schändlicher Finsternis sie waren.
[JJ.01_046,11] Daher sprach er zu Joseph: „Erhabener Mann und nun größter Freund meines Lebens!
[JJ.01_046,12] Siehe, ich habe nun einen Plan gefaßt! – Alles, was ich nun von dir vernommen habe, werde ich also meinem nahe leiblichen Bruder, dem Kaiser Augustus, berichten, aber nur also, als hätte ich’s zufällig von einem mir übrigens ganz unbekannten Juden voll Biederkeit vernommen.
[JJ.01_046,13] Dein Name und dein Aufenthalt wird nicht im allerentferntesten Sinne berührt; denn warum solle denn der beste Mensch in Rom, der Kaiser Augustus, mein Bruder, ewig sterben müssen?!“
[JJ.01_046,14] Diesmal willigte Joseph ein, und der Cyrenius schrieb noch in Ostracine drei Tage lang und sandte es durch ein Extraschiff nach Rom an den Kaiser, mit der alleinigen Unterschrift: Dein Bruder Cyrenius.
[JJ.01_046,15] Die Durchlesung dieser Nachricht von Seite des Cyrenius hatte dem Kaiser die Augen geöffnet; er fing dann das jüdische Volk zu achten an und verschaffte ihm sogar die Gelegenheit, gegen eine kleine Taxe als echt römische Bürger aufgenommen zu werden.
[JJ.01_046,16] Zugleich aber wurden alle extrafeinen Heidentumsprediger unter irgendeinem Vorwande aus Rom verbannt.
[JJ.01_046,17] Aus einem ähnlichen Grunde wurde der sonst in Rom so beliebte Dichter Ovidius aus Rom verbannt, davon man den Grund nicht erfahren konnte; und so erging’s dann unter dem Augustus auch dem Priesterstande nicht am besten.
47. Kapitel – Die Abreise des Cyrenius und seine Vorsorge für die heilige Familie. Die Schreckensbotschaft der Zeugen des Kindermordes.
Brief von Cyrenius an Herodes.
17. Oktober 1843
[JJ.01_047,01] Am vierten Tage empfahl sich dann erst Cyrenius, nachdem er zuvor dem Stadtobersten ganz besonders ans Herz gelegt hatte, dieser Familie ja seinen Schutz bei jeder Gelegenheit unverzüglich angedeihen zu lassen.
[JJ.01_047,02] Als er aber fortzog, da wollte ihm die ganze Familie das Geleite geben bis zum Meere, da sein Schiff vor Anker lag.
[JJ.01_047,03] Aber Cyrenius lehnte das freundschaftlichst ab und sprach: „Liebster, erhabener Freund, bleibe du nun ungestört allhier!
[JJ.01_047,04] Denn man kann nicht wissen, was alles für Nachboten schon mein Schiff eingeholt haben – und mit was für Nachrichten!
[JJ.01_047,05] Obschon du aber nun vollkommen gesichert bist, so ist aber hier doch auch für mich jene Klugheit vonnöten, durch welche von den Nachzettlern niemand erfahren solle, warum ich diesmal im Januarius Ägypten besucht habe!“
[JJ.01_047,06] Joseph aber verstand den Cyrenius wohl, blieb zu Hause und segnete diesen Wohltäter an der Hausflur.
[JJ.01_047,07] Darauf begab sich der Cyrenius unter der Verheißung, den Joseph bald wieder zu besuchen, von dannen mit seinen vier Dienern und erreichte also zu Fuß gar bald sein Schiff.
[JJ.01_047,08] Allda angelangt, wurde er sobald mit großem Jubel empfangen, – aber hintendrein auch von einigen andern hier angelangten Boten mit einem großen Jammergeschrei.
[JJ.01_047,09] Denn viele Eltern flüchteten sich von der Küste Palästinas vor der Verfolgung des Herodes, des Kindermörders, und erzählten sogleich über Hals und Kopf, welche Greuel Herodes um Bethlehem und im ganzen südlichen Teile Palästinas mit Hilfe der römischen Soldaten verübe.
[JJ.01_047,10] Hier schrieb der Cyrenius sogleich einen Brief an den Landpfleger von Jerusalem und einen an den Herodes selbst, – und das gleichen Sinnes!
[JJ.01_047,11] Der Brief aber lautete also kurz: „Ich, Cyrenius, ein Bruder des Kaisers und oberster Landpfleger über Asien und Ägypten – befehle euch im Namen des Kaisers, eurer Grausamkeit auf der Stelle Einhalt zu tun;
[JJ.01_047,12] widrigenfalls ich den Herodes als einen barsten Rebellen ansehen werde und werde ihn züchtigen nach dem Gesetze, nach der Gebühr und nach meinem gerechten Zorne!
[JJ.01_047,13] Seine Greuel aber hat der Landpfleger von Jerusalem genau zu untersuchen und mich davon unverzüglich in Kenntnis zu setzen, auf daß mir der Wüterich der gerechten Strafe für seine Tat nicht entgehe!
[JJ.01_047,14] Geschrieben auf meinem Schiffe ,Augustus‘ an der Küste zu Ostracine, im Namen des Kaisers, dessen oberster Stellvertreter in Asien und Ägypten und sonderheitlich Landpfleger in Coelesyrien, Tyrus und Sidon – Cyrenius vice Augusti.“
48. Kapitel – Die Wirkung und Folge dieses Briefes. Die List des Herodes. Ein zweiter Brief des Cyrenius an Herodes.
18. Oktober 1843
[JJ.01_048,01] Der Landpfleger von Jerusalem und der Herodes aber entsetzten sich gewaltigst über den Brief des Cyrenius, stellten ihr Greuelgetriebe ein und sandten Boten nach Tyrus, die dem Cyrenius anzeigen sollten, aus welcher wichtigen Ursache sie solches taten.
[JJ.01_048,02] Sie schilderten mit den grellsten Farben die Gesandtschaft der ohnehin schlüpfrigen Perser und behaupteten sogar, daß sie gar wichtige, geheime Spuren entdeckt hätten, daß sogar des Cyrenius Bruder, Cornelius, in diese geheime, ganz asiatische Verschwörung als Oberhaupt mit begriffen sei!
[JJ.01_048,03] Denn man habe in Erfahrung gebracht, daß Cornelius diesen neuen König der Juden in seinen Schutz genommen hatte.
[JJ.01_048,04] Und Herodes sei nun gesonnen, Boten nach Rom darob zu senden, so ihm von Cyrenius nicht Gewähr geleistet werde.
[JJ.01_048,05] Cyrenius habe daher den Cornelius der strengsten Untersuchung zu unterziehen, – wo nicht, so werde der Bericht an den Kaiser unausbleiblich abgehen!
[JJ.01_048,06] Diese Reprise, welche Cyrenius, schon wieder in Tyrus, erhielt, machte ihn anfangs stutzen.
[JJ.01_048,07] Aber er faßte sich bald, vom göttlichen Geist geleitet, und schrieb folgende Zeilen an den Herodes, sagend nämlich:
[JJ.01_048,08] „Wie lautet das geheime Gesetz des Augustus für allfällige Entdeckungen der Komplotte? – Es lautet also: ,So jemand irgendein geheimes Komplott entdeckt, so hat er sich ruhigst zu benehmen und alles sogleich umständlichst der höchsten Staatsbehörde des Landes anzuzeigen!
[JJ.01_048,09] Weder ein sonderheitlicher Landpfleger, noch weniger ein Lehensherr aber hat ohne den ausdrücklichen Befehl der obersten Staatsbehörde, welche alles eher wohl zu untersuchen hat, einen Finger ans Schwert zu legen.
[JJ.01_048,10] Denn nirgends kann ein unzeitiger Angriff einen größeren Schaden für den Staat bewirken als eben in diesem Punkte;
[JJ.01_048,11] indem das Komplott dadurch sich zurückzieht und seinen bevorhabenden Umtrieb unter noch verschmitztere Kniffe verbirgt und ihn in günstigeren Umständen sicher, seinen Zweck nicht verfehlend, zum effektiven Vorschein bringt!‘
[JJ.01_048,12] Das ist in dieser gar wichtigsten Hinsicht des weisesten Kaisers eigenmündiges Gebot!
[JJ.01_048,13] Habt ihr darnach gehandelt? – Mein Bruder Cornelius aber hat darnach gehandelt! Er hat sich des sein sollenden neuen Königs der Juden sobald bemächtiget,
[JJ.01_048,14] hat mir ihn in die Gewalt geliefert, und ich habe mit ihm schon lange die gerechtesten Verfügungen nach der Gewalt getroffen, die mir über Asien und Ägypten zusteht.
[JJ.01_048,15] Mein Bruder hat euch alles das vorgestellt; allein er redete zu tauben Ohren!
[JJ.01_048,16] Als wahrhafte Rebellen habt ihr gegen alle Vorstellung meines Bruders den Kindermord unternommen und habt mich noch obendrauf keck aufgefordert, daß ich euch unterstützen solle! – Heißt das, das kaiserliche Gesetz handhaben?
[JJ.01_048,17] Ich aber sage euch, der Kaiser ist bereits von allem unterrichtet und hat mich bevollmächtigt, den Landpfleger von Jerusalem abzusetzen, obschon er mir anverwandt ist, und dem Herodes eine Strafe von zehntausend Pfund Goldes aufzulegen.
[JJ.01_048,18] Der entsetzte Landpfleger hat sich binnen fünf Tagen bei mir einzufinden und der Herodes seine Geldbuße in längstens dreißig Tagen hier völlig zu entrichten, im widrigen Falle er seines Lehnsrechtes verlustig erklärt wird. Fiat! Cyrenius vice Augusti.“
49. Kapitel – Die Wirkung des zweiten Schreibens. Die Ankunft des Herodes und des Landpflegers in Tyrus. Der Empfang bei Cyrenius. Die Erregung des geängstigten Volkes. Maronius Pilla vor Cyrenius.
19. Oktober 1843
[JJ.01_049,01] Dieser Brief des Cyrenius hatte erst den Landpfleger von Jerusalem wie den Herodes in die größte Angst versetzt.
[JJ.01_049,02] Herodes und der Landpfleger, namens Maronius Pilla, begaben sich darum schleunigst zum Cyrenius.
[JJ.01_049,03] Herodes, um von seiner Buße etwas herabzuhandeln, und der Landpfleger, um in sein Amt wieder aufgenommen zu werden.
[JJ.01_049,04] Als sie mit großem Gefolge in Tyrus anlangten, da entsetzte sich das Volk; denn es war der Meinung, Herodes werde auch hier seine Grausamkeit ausüben mit dem Einverständnisse des Cyrenius.
[JJ.01_049,05] Daher lief es außer Atem zu ihm, warf sich nieder und bat und schrie um Gnade und Erbarmen!
[JJ.01_049,06] Cyrenius aber, da er die Veranlassung zu dieser Erscheinung nicht wußte, entsetzte sich anfangs, –
[JJ.01_049,07] faßte sich aber dann und fragte das Volk ganz freundlichst, was es denn gäbe, was vorgefallen sei, darum es also gewaltig geängstiget vor ihm schreie.
[JJ.01_049,08] Das Volk aber schrie: „Er ist da, er ist da, der Grausamste der Grausamen, der in ganz Palästina viele Tausende von den unschuldigsten Kindern ermorden ließ!!!“ – – –
[JJ.01_049,09] Nun erst erriet Cyrenius den Grund der Angst des Volkes, tröstete es, worauf das Volk sich wieder beruhigte und von dannen ging; er aber machte sich gefaßt auf den Empfang der beiden.
[JJ.01_049,10] Kaum war das Volk aus der Residenz des Cyrenius hinweggezogen, so ließen schon auch die beiden sich anmelden.
[JJ.01_049,11] Der Herodes trat zuerst vor den Cyrenius, verbeugte sich tiefst vor der Kaiserlichen Hoheit und erbat sich die Erlaubnis zu reden.
[JJ.01_049,12] Und der Cyrenius sprach mit großer Erregtheit: „Rede du, für den die Hölle zu gut ist, um ihm einen Namen zu geben! – Rede, du bösartigster Auswurf der untersten Hölle! – Was willst du von mir!?“
[JJ.01_049,13] Und der Herodes, ganz erblassend vor den Donnerworten des Cyrenius, sprach bebend: „Herr der Herrlichkeit Roms! – Zu unerschwingbar groß ist die von dir diktierte Buße; erlasse mir daher die Hälfte!
[JJ.01_049,14] Denn Zeus sei mir Zeuge, daß ich, was ich getan habe, im gerechten Eifer für Rom getan habe!
[JJ.01_049,15] Ich habe freilich grausam gehandelt, aber es war nicht anders möglich; denn die persische, gar glänzende Gesandtschaft hat mich offenbar dazu veranlaßt, indem ich von ihr hintergangen ward gegen ein von ihr mir gegebenes Wort!“
[JJ.01_049,16] Cyrenius aber sprach: „Hebe dich von hier, arger Lügner zu deinem Vorteile! Mir ist alles bekannt! Bekenne dich unverzüglich zur diktierten Buße, oder ich lasse dir auf der Stelle hier deinen Kopf vom Rumpfe schlagen!“
[JJ.01_049,17] Hier bekannte sich Herodes zur Buße, und das unter der Geisel des abgeforderten Lehensbriefes, der ihm erst nach der geleisteten Buße wieder überreicht ward.
[JJ.01_049,18] Und Cyrenius ließ ihn darauf sich entfernen und ließ den Maronius Pilla vor.
[JJ.01_049,19] Dieser aber, da er im Vorgemache die Stimmung des Cyrenius vernommen hatte, kam schon mehr als eine Leiche denn als ein lebendiger Mensch vor den Cyrenius.
[JJ.01_049,20] Cyrenius aber sprach: „Pilla, fasse dich, denn du warst gezwungen! – Du mußt mir wichtige Aufschlüsse geben; darum ließ ich dich rufen! – Deiner harret keine Buße, außer die deines Herzens vor Gott!“
50. Kapitel – Das Verhör des Landpflegers durch Cyrenius. Der Beschönigungsversuch des Landpflegers. Die Gewissensfrage des Cyrenius an den Maronius, dessen Bekenntnis und Verurteilung.
20. Oktober 1843
[JJ.01_050,01] Nach dieser Anrede des Cyrenius fiel dem Maronius Pilla ein gewaltiger Stein von der Brust; der Puls fing an freier zu gehen, und er ward bald fähig, dem Cyrenius zur Rede zu stehen.
[JJ.01_050,02] Und als der Cyrenius sah, daß der Maronius Pilla sich erholt hatte, fragte er ihn folgendermaßen:
[JJ.01_050,03] „Ich sage dir, gebe mir die gewissenhafteste Antwort darüber, worüber ich dich fragen werde! Denn jede ausflüchtige Antwort wird dir mein gerechtes Mißfallen zuziehen! Und so vernehme denn meine Frage!
[JJ.01_050,04] Sage mir, kennst du die Familie, deren erstgebornes Kind der sogenannte neue König der Juden sein solle?“
[JJ.01_050,05] Maronius Pilla antwortete: „Ja, ich kenne sie persönlich nach der Kundgabe der Judenpriester in Jerusalem! – Der Vater heißt Joseph und ist ein Zimmermann ersten Rufes in ganz Judäa und halb Palästina und ist seßhaft nahe bei Nazareth.
[JJ.01_050,06] Seine Redlichkeit ist im ganzen Lande, wie auch in ganz Jerusalem bekannt. Er mußte vor ungefähr elf Monden ein reif gewordenes Mädchen aus dem jüdischen Tempel zur Obhut nehmen, ich glaube, durch eine Art Losung.
[JJ.01_050,07] Dieses Mädchen hat wahrscheinlich in Abwesenheit dieses biederen Zimmermanns etwas zu früh der Venus gehuldigt, ward schwanger, darob dann meines Wissens dieser Mann grobe Anstände mit der jüdischen Priesterschaft zu bestehen hatte.
[JJ.01_050,08] Insoweit ist mir die Sache wohl bekannt; aber mit der Entbindung dieses Mädchens – das da dieser Mann, um der Schande zu entgehen, die er von seinen Genossen zu befürchten hatte, noch vor der Entbindung zum Weibe genommen haben solle – haben sich überaus mystische Sagen im Volke verbreitet, und man kann darüber nicht ins klare kommen!
[JJ.01_050,09] Sie hat bei der Gelegenheit der Volksbeschreibung in Bethlehem entbunden, und zwar in einem Stalle; so viel habe ich herausgebracht.
[JJ.01_050,10] Alles Weitere ist mir völlig unbekannt; solches sagte ich auch dem Herodes!
[JJ.01_050,11] Dieser aber meinte, Cornelius habe diese ihm von den Persern verdächtig gemachte Familie irgend im Volke verbergen wollen, um ihm den Lehnsthron streitig zu machen, da er wohl weiß, daß dein Bruder sein Freund nicht ist!
[JJ.01_050,12] Darum nahm er denn auch zu dieser exzentrischen Grausamkeit seine Zuflucht, um dadurch vielmehr dem Cornelius seinen Plan zu vereiteln, als so ganz eigentlich dieses neuen Königs habhaft zu werden.
[JJ.01_050,13] Er übte somit mehr aus Rache gegen deinen Bruder, als aus Furcht vor diesem neuen König, diese kindermörderische Rache aus. Das ist nun alles, was ich dir zu sagen weiß über diese sonderbare Begebenheit!“
[JJ.01_050,14] Und der Cyrenius sprach weiter: „Bisher habe ich aus deinen Worten ersehen, daß du zwar die Wahrheit geredet hast; aber daß du dabei vor mir auch gewisserart den Herodes weißwaschen möchtest, ist mir keineswegs entgangen!
[JJ.01_050,15] Ich sage dir aber, wie ich geschrieben habe, die Tat des Herodes läßt sich durch nichts entschuldigen!
[JJ.01_050,16] Denn ich will es dir sagen, warum Herodes diese allerunmenschlichste Grausamkeit ausgeübt hat.
[JJ.01_050,17] Höre! Herodes ist selbst der allerherrschsüchtigste Mensch, den je die Erde genährt hat.
[JJ.01_050,18] Wenn er es könnte und einigermaßen nur eine entsprechende Macht dazu hätte, so würde er heute noch mit uns Römern, den Augustus nicht ausgenommen, das tun, was er mit den unschuldigsten Kindern getan hat! – Verstehst du mich?!
[JJ.01_050,19] Er hatte diesen Kindermord nur darum unternommen, weil er der Meinung war, uns Römern einen groß respektablen Dienst zu erweisen und sich dadurch als echter römischer Patriot zu zeigen, auf daß ihm der Kaiser mein Amt zum Lehnsfürstentume noch hinzu anvertrauen möchte;
[JJ.01_050,20] wodurch er dann gleich mir vice Caesaris unumschränkt mit dem Drittel der ganzen römischen Macht disponieren könnte und könnte sich dadurch dann auch von Rom ganz los und unabhängig machen, um als Alleinherrscher über Asien und Ägypten dazustehen.
21. Oktober 1843
[JJ.01_050,21] Verstehst du mich?! – Siehe, das ist der mir gar wohlbekannte Plan dieses alten Scheusals; und wie ich ihn kenne, so kennt ihn nun auch Augustus!
[JJ.01_050,22] Nun aber frage ich dich bei deinem Kopfe zum Pfande der Wahrheit, die du mir darüber zu erteilen hast, ob du von diesem Plane Herodis nichts gewußt hattest, als er dich zu seinem schändlichsten Werkzeuge gedingt hatte?
[JJ.01_050,23] Rede! aber bedenke, daß dich hier jede unwahre ausflüchtige Silbe das Leben kostet! Denn mir ist in dieser Sache jeder Punkt auf ein Haar bekannt!“
[JJ.01_050,24] Hier ward der Maronius Pilla wieder zur Leiche und stotterte: „Ja, du hast recht, ich wußte auch, was der Herodes im Schilde führte.
[JJ.01_050,25] Aber ich fürchtete seinen argen Intrigengeist und mußte darum tun nach seinem Verlangen, um ihm dadurch den Grund zu einer noch größeren Intrige zu zerstören.
[JJ.01_050,26] Ganz also durch und durch aber, wie ich den Herodes jetzt durch dich kenne, habe ich ihn ehedem doch nicht erkannt; denn hätte ich das, da lebte er nicht mehr!“
[JJ.01_050,27] Und Cyrenius sprach: „Gut, ich schenke dir im Namen des Kaisers zwar das Leben; aber in dein Amt werde ich dich nicht eher einsetzen, als bis deine Seele genesen wird von einer starken Krankheit! – Bei mir hier wirst du gepflegt, deine Stelle aber wird einstweilen mein Bruder Cornelius versehen; denn siehe, ich traue dir nimmer! Daher bleibst du hier, bis du gesund wirst!“
51. Kapitel – Das Geständnis des Maronius Pilla. Cyrenius als weiser Richter.
24. Oktober 1843
[JJ.01_051,01] Als der Maronius Pilla solch Urteil von Cyrenius vernommen hatte, da sprach er mit bebender Stimme:
[JJ.01_051,02] „Wehe mir, denn es ist alles verraten! – Ich bin ein Republikaner, und solches ist dem Kaiser offen dargelegt, – wehe, ich bin verloren!“
[JJ.01_051,03] Cyrenius aber sprach: „Wohl wußte ich, wessen Geistes Kinder ihr seid, und welch ein Grund dich zum Kindermorde mit dem Herodes verbündet hatte.
[JJ.01_051,04] Darum handelte ich auch also, wie ich gehandelt habe!
[JJ.01_051,05] Wahrlich, so du nicht samt mir dem ersten Hause Roms entstammen möchtest, ich hätte dir den Kopf ohne Gnade herabschlagen lassen,
[JJ.01_051,06] wo ich dich nicht sogar hätte ans Querholz heften lassen! Ich aber habe dich darum begnadigt, weil du fürs erste von Herodes mehr verleitet wardst zu diesem Schritte, und weil du einer der ersten Patrizier Roms bist samt mir und dem Augustus Caesar.
[JJ.01_051,07] Aber in dein Amt kommst du nicht, solange Herodes leben wird, und solange du nicht vollkommen geheilt sein wirst!
[JJ.01_051,08] Die Bedingung deines Hierseins aber wirst du dadurch erfüllen, daß du ohne alle Widerrede dich der Arbeit unterziehen wirst, die ich dir zuteilen werde, und daß du streng unter meinen Augen wandeln wirst!
[JJ.01_051,09] Im Frühjahre aber werde ich einen amtlichen Ausflug nach Ägypten machen, – dahin wirst du mich begleiten!
[JJ.01_051,10] Dort wohnt außer der Stadt ein alter Weiser; diesem werde ich dich unter die Augen stellen, – und er wird dir alle deine Krankheit kundtun!
[JJ.01_051,11] Und es wird sich dort auf den ersten Augenblick zeigen, inwieweit allen deinen Aussagen zu trauen ist!
[JJ.01_051,12] Bereite dich daher wohl vor; denn dort wirst du mehr antreffen denn das Orakel zu Delphi!
[JJ.01_051,13] Denn dort wirst du vor einen Richter gestellt werden, dessen Augenschärfe das Erz fließen macht wie Wachs! – Bereite dich daher wohl vor; denn bei diesem meinem Ausspruche wird es verbleiben!“ –
Das Jugendevangelium hat insgesamt 300 Kapitel. Das gibt es als Buch vom Lorber Verlag,
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