Eingereichter Text
Das 1989 von Herrn Charpak in Paris gegründete französische Unternehmen Biospace Instruments benutzt die Infrastruktur des Cern für seine Handelstätigkeiten.
Unter dem Deckmantel, für medizinische Zwecke Detektoren für die ultraschnelle Radiographie herzustellen, hat Biospace Instruments diese Technologie an die „Direction des Applications Militaires“ (DAM) des „Commissariat à l’énergie atomique“ verkauft und damit einen grossen Teil seiner Einkünfte erzielt.
Die im Juli 1995 an das DAM-CEA-Zentrum in Vaujours-Moronvillier (CEVM) gelieferten Geräte wurden aus vom Cern geliehenen Bestandteilen zusammengebaut, getestet, danach vom Cern nach Vaujours transportiert, zurückgesandt und im Cern bis im Frühling 1996 gelagert. Dadurch wurde das Abkommen über die Niederlassung des Cern in der Schweiz verletzt. Die Leitung des Cern wurde wiederholt auf diese Tatsachen aufmerksam gemacht. Sie versichert, dass diese Tätigkeiten eingestellt wurden. Herr Charpak hingegen erklärte in einem Interview im September, dass er seine Forschung im Bereich der ultraschnellen Radiographie im Cern weiterführe.
Zwei junge Forscher, die sich geweigert hatten, mit Herrn Charpak weiter an militärischen Verwendungen zu arbeiten, wurden rücksichtslos von ihren Posten entfernt. Gegen Biospace wurden deshalb an französischen Gerichtshöfen zwei Untersuchungsverfahren eingeleitet.
Welche dringlichen Massnahmen gedenkt der Bundesrat zu treffen, um der militärischen Forschung im Cern ein Ende zu setzen?
Antwort des Bundesrates vom 26.02.1997
Der 1992 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnete Professor Charpak gehörte von 1959 bis 1989 zum ordentlich angestellten Personal beim CERN. Zur Zeit ist er an der „Ecole de Physique et de Chimie“ in Paris tätig und arbeitet als Gast des CERN, wie andere Forscher, die dessen Infrastruktur benutzen. Administrativ ist Professor Charpak einer Forschungsgruppe des CERN angeschlossen; er wird dort von einer Sekretärin und einem Physiker unterstützt, dessen Vertrag im März 1997 ausläuft. Er macht also in gleicher Weise von der Infrastruktur des CERN Gebrauch wie andere Wissenschaftler, die nicht von der Organisation entlöhnt werden.
Unabhängig von diesen Tätigkeiten verfolgt Professor Charpak seit etwa zehn Jahren Arbeiten über die Verwendungsmöglichkeiten elektronischer Detektoren in der Medizin. Dafür hat er 1989 mit einigen anderen Physikern eine französische Privatgesellschaft, die Biospace Instruments, gegründet, welche teilweise aus Gründen kommerzieller Investitionen durch eine französische Gesellschaft namens Biospace Mesures übernommen wurde und deren Minderheitsaktionär Professor Charpak sein soll. Biospace Instruments ihrerseits strebe weiterhin lediglich vorindustrielle Entwicklungen an, die auf den wissenschaftlichen Arbeiten von Professor Charpak aufbauen, welche mit neuen Methoden die von Patienten absorbierten Strahlungsdosen vermindern.
Biospace Instruments hat 1995 Material, in welchem im CERN entwickelte Technologien eingebaut waren, ins Zentrum der „Direction des Applications Militaires“ (DAM) des „Commissariat à l’énergie atomique“ (CEA) in Vaujours-Monronvillier geschickt. Dieses Material wurde darauf zurückgesandt und im CERN bis im Frühling 1996 gelagert. Es soll sich dabei um ein Gerät zur Strahlungsanzeige handeln (eine Schwermetallfolie, die vor einen bestehenden und in der Biologie verwendeten Detektor montiert ist). Die Quelle der in der DAM verfügbaren Röntgenstrahlen soll erlaubt haben zu überprüfen, ob die von Professor Charpak erfundene Methode medizinischen Zwecken dienen könnte. So sei die Ausrüstung der Biospace Instruments eine Zeitlang zu Testzwecken bei der DAM gelagert gewesen und von dort wieder weggebracht worden. Der Vertrag des Unternehmens mit der DAM zur Durchführung dieser Teste sei jetzt verfallen. Professor Charpak selbst führt weiterhin eigene Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet durch. Was den Streit betrifft, der Gegenstand eines Prozesses zweier Forscher gegen Biospace Instruments ist, die früher bei dieser Firma angestellt waren, lässt das laufende Untersuchungsverfahren in diesem Stadium noch keine Beurteilung zu.
Solche technische Unterstützung (in oben erwähntem Umfang), wie sie Professor Charpak beim CERN gefunden hat, stelle keinen Einzelfall der Weiterverwendung von CERN-Technologien dar. Ein lokal sehr bekanntes Beispiel dafür ist die Positronenkamera, welche in den achtziger Jahren von einem Physiker des CERN entwickelt und vom Genfer Kantonsspital übernommen wurde. Zwischen 1988 und 1995 sind nicht weniger als 257 Kooperationsprojekte in angewandter Technologie mit insgesamt 320 involvierten Partnern ausgewählt worden, die sich gleichmässig auf Industrie, Universitäts- und Forschungsinstituten verteilen.
Diese Entwicklungen entspringen dem fest entschlossenen Willen der Mitgliedstaaten, nebst der reinen wissenschaftlichen Forschung ein Höchstmass an Industrierückfluss zu erlangen, und rechtfertigen um so mehr die öffentlichen Investitionen, die im CERN über gewöhnliche Beiträge zur Finanzierung des Budgets der Organisation getätigt werden. Die Delegationen der Mitgliedstaaten sind sich des riesigen Potentials im Bereich des Technologietransfers aus dem CERN bewusst und betrachten ihn als wichtigen Teil des industriellen Rückflusses für die Mitgliedstaaten. Sie erachten es deshalb als notwendig, den Technologietransfer zwischen dem CERN und den Mitgliedstaaten zu fördern.
Allerdings muss genau zwischen dem CERN und später durch Dritte entstehende Tätigkeiten sowie deren Verantwortlichkeiten unterschieden werden. Das CERN betreibt auf seinem Gelände weder kommerzielle noch militärische Aktivitäten. Konkreter, wenn Biospace Instruments eine Röntgenstrahlenquelle des DAM zu medizinischen Forschungszwecken benützt, wäre dies für das CERN keine Verletzung seiner Pflichten im Sinne seiner Konvention und der Sitzvereinbarung mit der Schweiz. Die Tatsache, dass die im CERN gemachten Entdeckungen – ob es sich nun um theoretische und experimentelle Grundlagenforschung handelt, deren Resultate zwingend publiziert werden, oder ob es technologische Weiterentwicklungen sind – später durch Dritte auf anderen Gebieten angewandt werden können, entzieht sich sowohl dem Zuständigkeitsbereich des CERN als auch dem der Schweiz.
Aufgrund der Gerüchte über die oben erwähnte Materialsendung an das DAM hat die Generaldirektion des CERN deren Berechtigung mit Professor Charpak bereits im Februar 1996 überprüft. Sie ist zur Überzeugung gelangt, dass keine tatsächliche Zweideutigkeit zwischen den Tätigkeiten von Professor Charpak im CERN und den Angelegenheiten von Biospace Instruments in Frankreich besteht. Sie hat jedoch verlangt, dass selbst die geringste Ungereimtheit vermieden und eine strenge Trennung zwischen dem CERN und Biospace Instruments garantiert werden soll.
Aufgrund der Informationen, über die er zur Zeit verfügt, beabsichtigt der Bundesrat, die Angelegenheit zu vertiefen, indem er namentlich von der Direktion und den zuständigen Diensten des CERN alle nützlichen Zusatzinformationen verlangt. Je nach den gewonnenen Erkenntnissen wird er über die in seiner Kompetenz liegenden Massnahmen entscheiden, wenn solche zu ergreifen sind. Er wiederholt dem CERN gegenüber, dass er es als Selbstverständlichkeit verstehe, dass die bindenden Bestimmungen der Konvention von 1953 über die Schaffung des CERN sowie diejenigen des Sitzübereinkommens von 1955 genau eingehalten werden.