Die Österreichische Volkspartei beklagt in einer Presseaussendung am Samstag eine neue Dirty-Campaigning-Attacke gegen ihren Chef und Spitzenkandidaten Sebastian Kurz. ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer spricht „von einer Stufe tiefer“ und kündigt rechtliche Schritte an. Darüber berichtet unter anderem die Kronen Zeitung.
Diesen Brief habe ich heute an den Bundesparteivorsitzenden Sebastian Kurz geschrieben:
Sehr geehrter Herr Bundesparteivorsitzender Kurz,
lieber Sebastian,
der Website www.orf.at entnehme ich, dass Du gestern in „Servus TV“ erklärt haben sollst, das Shreddern von Festplatten im Bundeskanzleramt anlässlich eines Regierungswechsels sei „ein normales Prozedere“. Wörtlich habest Du ausgeführt: “Auch die Übergabe von Kern (anlässlich des Regierungswechsels 2017, Anm. CK) verlief so.“
Damit unterstellst Du mir, ich oder meine Mitarbeiter_innen hätten im Dezember 2017, als Du vom Bundespräsidenten zum Bundeskanzler ernannt wurdest und ich Dir die Amtsgeschäfte übergab, ebenfalls Festplatten des Bundeskanzleramtes geshreddert – und Du hättest dies auch gewusst und gebilligt. Tatsächlich haben meine Mitarbeiter_innen und ich beim Regierungswechsel im Dezember 2017 sämtliche Akten und Unterlagen in gesetzeskonformer Weise behandelt; soweit es sich nicht um veraktete Unterlagen handelte, die ohnehin im BKA verblieben sind, wurden die Unterlagen gesetzeskonform dem Staatsarchiv übergeben. Ein Shreddern von Festplatten fand nicht statt, die IT-Abteilung des Bundeskanzleramts hat vielmehr entsprechend der IT-Richtlinie des BKA benutzte Festplatten gelöscht und gebrauchte und zurückgegebene Geräte auf Werkseinstellungen zurückgesetzt. Dass ein Mitarbeiter meines Kabinetts mit Festplatten zu einer Privatfirma gegangen wäre um diese dort zu zerstören, ist selbstverständlich nicht vorgekommen. Derartiges Vorgehen kann Dir also nicht als „normales Prozedere“ bekannt sein.
Deine Behauptung, Sebastian, die (Amts-)Übergabe von mir an Dich sei so verlaufen, wie dies in Hinblick auf die Zerstörung von Festplatten durch Deine Mitarbeiter kurz vor dem erfolgreichen Misstrauensantrag des Nationalrates gegen Dich erfolgt ist, ist daher unrichtig – und Du weißt das.
Deine Aussage kann ich aus diesem Grunde nicht unwidersprochen lassen. Ich fordere dich, Sebastian, auf, Deine gestrigen Aussagen sehr rasch und in geeigneter Form richtig zu stellen und festzuhalten, dass die Übergabe der Amtsgeschäfte durch mich an Dich ohne heimliche Zerstörung von Datenträgern des Bundeskanzleramtes erfolgt ist. Ich muss Dich ersuchen, diese Klarstellung bis kommenden Montag vorzunehmen. Diese Erklärung sollte die Aussage enthalten, dass bei der Übergabe der Funktion des Bundeskanzlers durch mich an Dich keine zumindest bedenklichen, aber möglicherweise sogar strafrechtlich relevanten Datenlöschungen durch mich oder Mitarbeiter_innen meines Kabinetts stattgefunden haben.
Ich erwarte gerne Deine Mitteilung in diesem Sinne. Sollte diese nicht erfolgen, müsste ich meine Anwälte um Prüfung bitten, ob hier gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss, um meinen guten Ruf zu wahren.
Mit freundlichen Grüßen
Mag. Christian Kern
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Erst riss die Ibiza-Affäre Österreichs Regierung in den Abgrund. Jetzt deckte das Magazin „Falter“ auf: Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz ließ heimlich Festplatten schreddern. Was ist los im Nachbarland? Chefredakteur Florian Klenk über Datenreste, Demokratieverständnis der FPÖ und unseriöse „Dodel“
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Herr Klenk, der Social-Media-Chef von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz hat Ende Mai unter falschem Namen fünf Festplatten schreddern lassen. Was für brisante Daten, glauben Sie, befanden sich darauf?
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Das weiß ich nicht. Ich kann darüber nur spekulieren. Vielleicht waren die Daten harmlos, wie Sebastian Kurz beteuert, vielleicht hätten sie Rückschlüsse auf illegale Parteispenden gegeben, wie die Opposition vermutet. Vielleicht aber wäre man mit den Daten auch dahinter gekommen, dass die ÖVP schon früh über das Ibiza-Video Bescheid wusste, wie die FPÖ vermutet. All das wäre möglich, aber wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass die Daten diskret verschwinden mussten.
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Sebastian Kurz hat die Schredder-Affäre mit den Worten kommentiert: „Es ist ein vollkommen normaler Vorgang, dass sensibel mit Daten umgegangen wird“. Warum glauben Sie ihm nicht?
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Die Geschichte ist doch total dubios. Stellen Sie sich vor, Angela Merkel würde aus dem Deutschen Bundeskanzleramt ausziehen und in den Tagen davor einen 25-jährigen Mitarbeiter der Social-Media-Abteilung beauftragen, ihre Druckerfestplatten auszubauen, um sie inkognito privat schreddern zu lassen. Da wäre der Teufel los in Deutschland.
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